Sodom – Nachgefragt bei Tom Angelripper – Interview

Wenn es um Bands geht, die den deutschen Metal international repräsentieren, steht Sodom mit an erster Stelle. Die Gelsenkirchener sind dabei nicht nur sehr erfolgreich, sondern haben auch zahlreiche andere Bands, sogar ganze Genres beeinflusst.

Zum Release ihres neuen Best- Ofs The Greatest Hell Of Sodom sprachen wir mit Band-Urgestein Tom Angelripper über das 40-jährige Bandjubiläum, seine persönliche Zukunft und warum Sodom in den 1990ern keine Experimente mit Grunge gemacht hat.


Foto Credit: Markus Felix

Jannik (Soundmagnet.eu): Ihr feiert dieses Jahr euer 40-jähriges Jubiläum. Wie fühlt sich das an? Wurde das Agent Orange Album nicht erst gefühlt vor zwei Jahren veröffentlicht?
Tom Angelripper (Sodom): Man ist auf einmal da, auf einmal angekommen nach 40 Jahren. Aber die Zeit ist zuletzt auch gerannt, das ist ja irre. Da hätte früher aber auch keiner mit gerechnet, dass wir nach 40 Jahren noch da sind. Dass wir überhaupt noch leben ist ja ein Wunder (lacht). Aber ich bin natürlich stolz darauf, dass wir so lange durchgehalten haben und das auch im Namen aller Ex-Musiker, die mal bei uns gespielt haben und beteiligt sind. Es ist natürlich ein Haufen Arbeit gewesen, überhaupt soweit zu kommen, das wissen ja viele nicht. Man ist ja als Musiker von morgens bis abends damit beschäftigt. Und bei mir war es so: Ich habe ab 1989 gesagt, ich mach nur noch Musik, so eine Berufsmusikerkarriere angestrebt. Und wir sind immer noch da! Gestern sind wir aus Mexiko wiedergekommen, haben da auch ein Festival gespielt, das war auch fett. Läuft also alles gut.

Jannik: Wo du es gerade ansprichst, von früher: Du wirkst auch generell, immer wenn ich dich irgendwo etwas von dir höre, wie der geerdetste Musiker überhaupt. Bist du im Grunde tief in dir immer noch der 19 jährige Metalverrückte, der nun seinen Traum leben kann?
Tom: Ganz genau! Also ich würde mich ja nie als Rockstar bezeichnen. Es gibt genug Beispiele von anderen Musikern, die sich so benehmen, das bin ich nicht! Der einzige Unterschied zwischen mir und den Fans ist, dass ich zwischendurch mal auf der Bühne stehe für eine gewisse Zeit. Ich bin immer noch Metalfan und die Musik ist immer noch mein Leben, ich bin nur in dem glücklichen Zustand, dass ich auch selbst mal Musik machen kann und die dann auch auf einer Bühne vortragen kann oder auf einer Platte. Ich weiß ja, wo wir herkommen und wer uns bezahlt: Das sind die Fans, die den Eintritt bezahlen, Shirts kaufen, die auch die Veranstalter supporten, auch kleine Festivals, wo wir gerne sind. Das vergessen immer viele, wo das herkommt! Das vergesse ich nicht! Ich mache Interviews, auch letztens für Total Thrash, ich bin immer dabei! Es gibt Beispiele für Musiker, die da nicht mitmachen, aber ich gehöre da nicht zu. Ich weiß, wo ich herkomme. Ich will auch immer was zurückgeben. Wir machen dann auch Autogrammstunden, in Mexiko haben wir das noch kurz vor der Show gemacht, auch Interviews. Das muss man einfach durchziehen und was zurückgeben!

Eine besondere Best-Of Auswahl erwartet uns!

Jannik: Um euer Jubiläum zu feiern, veröffentlicht ihr mit The Greatest Hell Of Sodom eine besondere Best-Of mit vor allem eher unbekannteren neu aufgenommenen Songs. Warum wählt ihr diesen eher ungewöhnlichen Weg eines Best-Ofs?
Tom: Es stand ja mal im Raum, so eine Best-Of zu machen wie die Ten Black Years, wo man einfach nur Songs von den Alben runter nimmt und zusammenmastert. Das ist aber nix für mich, wenn du Sodom Fan bist, hast du die. Meine Idee wäre eigentlich gewesen, mal ein Live-Album aufzunehmen, also vom letzten Jahr. Aber durch Corona hatten wir weniger Shows und es war nicht vernünftig zu realisieren. Und dann kam ich auf die Idee, von jedem Album einen Titel rauszusuchen, den man mit dem aktuellen Line-Up neu einspielt. Es sollten dann auch nicht die üblichen Verdächtigen werden, sondern wir haben uns dann zusammen gesetzt und die Platten gemeinsam oder einzeln durchgehört und überlegt, welchen Song wir nehmen können und haben uns dann gemeinsam für Songs entschieden. Wir haben dann auch gesagt, dass wir Arrangement, Tonart und so lassen wie es ist, alles bleibt gleich. Wir wollen es nur kopieren, 1:1. Und das ist ein Überblick, über die Songs, die wir so gemacht haben. Es sollte ja nicht Agent Orange von der Agent Orange sein, sondern schon so ein paar Raritäten, die wir dann auch demnächst mal in eine Setlist einbauen wollen.

Jannik: Also gibt es auch Songs von der Best-Of, bei denen du dich freust, sie seit langer Zeit mal wieder zu spielen?
Tom: Ich freue mich über jeden Song. Ich werde oft gefragt: „Bist du es nicht irgendwann leid, schon wieder Bombenhagel zu spielen, oder Nuclear Winter.“ Das macht alles Spaß! Es gibt so Klassiker, die müssen drinbleiben, finde ich. Sodomy and Lust oder Blasphemer und so. Aber wenn wir eine Headliner-Show haben, haben wir auch zwei Stunden Zeit und dann kann man schonmal variieren, nehmen den rein, schmeißen die raus. Das sage ich schon seit Jahren: Es gibt Bands, die haben zehn Jahre dieselbe Setlist. Das langweilt mich. Und ich spreche ja mit den Sodom-Fans, die sagen dann auch: „Mach doch mal von der Tapping The Vein das, oder von der Get What You Deserve das.“ Es gibt halt Songs von Platten, die nie zu Wort kommen oder underrated Platten, wie Epitome Of Torture oder Masquerade in Blood, da sind auch viele geile Songs drauf. Und wenn wir in der Lage die live zu spielen, z.B. im Oktober, können wir das auch machen.

Ein Blick in die 1990er

Jannik: Wenn wir jetzt nochmal in die Vergangenheit schauen, zeichnet ihr euch auch dort durch eigene Wege aus: Als Bands wie Kreator oder Metallica Mitte der 1990er ihren Stil zugunsten des neuen Publikums recht radikal änderten, seid ihr stets eurer Linie treu geblieben: Warum habt ihr nie ein solches Experiment gewagt, die etwas punkige Get What You Deserve mal ausgeschlossen?
Tom: Also die Platten aus den 1990ern waren doch härter als alles andere davor! Ich finde Alben wie Tapping The Vein, Get What You Deserve, Masquerade In Blood sind härter als die Agent Orange oder Better Off Dead. Da haben wir damals gesagt: Ganz im Gegenteil, da hauen wir jetzt nochmal mehr ins Mett! Das Problem ist, andere Bands sind dann auch zu sehr im Griff der Musikindustrie und kriegen zu viel reindiktiert, was man machen soll, um erfolgreicher zu sein, um die Plattenverkäufe zu retten. Das war uns doch immer scheißegal! Wir haben gesagt: Wir machen ne neue Platte und wenn die fertig ist, kriegt die Plattenfirma das Master. Presst das oder lasst es sein. Das steht ja nirgendwo drin im Vertrag, was wir zu machen haben oder welche musikalische Richtung.

Und so gesehen ist Sodom wahrscheinlich die einzige Band weltweit, die sich nie verbogen haben. Wir haben natürlich immer wieder unterschiedliche Line-Ups gehabt, die Platten klingen so auch unterschiedlich, weil mit einem anderen Gitarristen ist das eine andere Baustelle. Aber so ein Album wie die Get What You Deserve ist ja das härteste Album, das wir je gemacht haben. Wenn du die mal auf dem Kopfhörer hörst… Wir haben auch generell ganz andere Wege beschritten, wo andere die Gitarren aufgeblasen haben. Wir haben auf dem Album nur eine Gitarre aufgenommen (lacht) und einen Bass. Als wenn das Live wäre. Und haben dann die Songs z.T. live eingespielt im Studio. „Ja aber das müssen doch zwei Gitarren sein, du hast doch sonst kein fettes Stereo“. In der modernen Produktion wird eine Gitarre achtmal aufgenommen, damit die noch dicker wird. Aber diese ultratrockene Härte, die haben wir auf Get What You Deserve einfach veredelt. Das war ultrabrutal. Aber nein, wir haben uns nie verbogen, wir haben das gemacht, worauf wir Lust hatten und das war schon immer so. Eine Band wie Sodom kann auch nicht kommerzieller werden, nur wenn wir härter werden, weil wir wollen auch die Leute bedienen, die die ganz harte Musik mögen. Ich habe aber auch schon melodische Platten gemacht, mit Onkel Tom oder Desperadoz. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich ein guter Sänger für eine Melodic Metal Band wäre. Aber das ist ja nicht, was wir wirklich wollen.

Jannik: Um nochmal auf das letzte Album zurückzuschauen: Ende 2020 habt ihr mit Genesis XIX euer sechzehntes Studioalbum veröffentlicht. Wie läuft das Songwriting ab, wenn man so wie du und Frank Blackfire schon so lange dabei seid? Nehmt ihr aufgrund der Erfahrung die führende Rolle ein?
Tom: Nein, überhaupt nicht! Also wir machen sowieso immer alles im Proberaum. Und Yorck kommt als junger Gitarrist mit geilen Riffs und Ideen an. Wir wollen ja auch versuchen, riffbetonte Musik zu machen, nicht so kompliziert und ein Riff nacheinander. In den 1980ern Jahren, wo die Musik populärer war und die Songs irgendwie auch besser waren als heute, da gucken wir schonmal hin und fragen, wie hat so eine Metalband damals Songs komponiert, wir oder andere, Slayer, Metallica oder auch normale Metalbands. Yorck ist der größte Metalfan, hat eine riesige Sammlung an 1980er-Platten und dann haben wir schon gesagt: Boah ist der Song geil, ja warum ist der geil, ja wegen dem Riff und dem Arrangement.

Das Arrangement mache ich dann, weil ich einfach die Erfahrung habe und ich es letztendlich auch singen und mit meinem Gesang veredeln muss. Aber das passiert alles im Proberaum. Yorck oder Frank haben dann auch schonmal komplette Songs fertig gehabt, die ich dann geil finde oder hier und da noch ein bisschen verbessern könnte, aber es entsteht alles gemeinsam im Proberaum. Es gibt auch Bands, die gar nicht zusammenleben, oder der Gitarrist in Amerika wohnt und der Drummer in England, wo die das am Ende nur hin- und herschicken, also so ist es nicht. Das muss schon so im Proberaum passieren.

Wir sind ja gar nicht so diese klassische Thrash Band, wir haben Black- und Death-Einflüsse und haben die ganze Szene geprägt und jetzt holen wir uns vielleicht ein bisschen was zurück davon.

Jannik: Ich habe mir zur Vorbereitung auch nochmal das Genesis XIX Album angehört und finde, dass es wirklich wenige so riffbetonte Alben der letzten Jahre gibt, die in den Songs auch einfach mal das Riff wechseln.
Tom: Es gibt ja so Klassiker, da ist ein geiler Gitarrenriff, Dio mit Stand Up And Shout, das ist der „One Riff to rule them all“. Wenn du so ein Riff hast, dann hast du schon fast einen Song fertig. Es geht gar nicht um ein noch komplizierteres, verschachtelteres Arrangement, sondern der Song muss einfach funktionieren! Manche sagen, ja, das klingt dann nach Black Metal. Ey hallo, wer hat damit angefangen?! Was soll ich dazu sagen? Also wir können auch ruhig ein bisschen düsterer werden. Das ist ja dann typischer Black Metal. Das ist auch Arrangement, das ist der Gesangstyle, wie bei Sodom and Gomorrah. Das könnte ein Song von Motörhead, Venom, Bathory oder Celtic Frost sein. Es ist einfach so unser Ding, die Musik zu machen. Welche Richtung so ein Song dann einschlägt, ist völlig egal, Hauptsache der Refrain geht auf: Der Song ist geil! Wir sind ja gar nicht so diese klassische Thrash Band, wir haben Black- und Death-Einflüsse und haben die ganze Szene geprägt und jetzt holen wir uns vielleicht ein bisschen was zurück davon.

Jannik: Wenn man sich das aktuelle Line-Up anschaut: Blackfire ist nun schon seit vier Jahren wieder mit an Bord, zusammen mit den noch jüngeren Yorck Segatz und Toni Merkel. Fühlst du dich in dieser Besetzung mit erstmalig zwei Gitarren noch wohler oder gibt es generell für dich merkliche Unterschiede zu vorherigen Besetzungen?
Tom: Ich wollte ja schon öfter mal einen zweiten Gitarristen haben. Bernemann war da überhaupt nicht mit einverstanden. Hätte natürlich trotzdem einen holen können, aber das muss auch harmonieren Und als er und Makka dann raus waren, wollte ich es unbedingt mit einem zweiten Gitarristen ausprobieren. Und gerade beim Livekonzert sagt unser Tonmann, dass zwei Gitarren natürlich ein Brett sind. Du hast dann auch ein ganz großes Stereobild auf der PE. Das kann mein Bass auch nicht ersetzen, auch wenn er manchmal wie eine Gitarre klingt. Und manche Songs leben von der zweiten Gitarre, in einer zweiten Stimme oder einem Solo, bei dem der Rhythmus durchläuft. Viele sagen, dass das nicht mehr so kultig wie ein Trio ist. Ich war selbst ja damals auch enttäuscht, als Motörhead sich einen zweiten Gitarristen geholt haben oder Tank. Dass hatten die nicht nötig! Bei Motörhead muss der Bass laut sein und die Gitarren dann im Hintergrund. Aber ich will jetzt davon auch nicht mehr abrücken, denn live ist das wirklich geiler. Das ist einfach ein Brett.
Jannik: Das stimmt. Das merk ich auch bei Bands, die sogar drei Gitarristen haben. Aber auch schon bei zweien.
Tom: Die Power-Trios von damals, z.B. alte Motörhead-Shows waren auch nicht ohne!
Jannik: Motörhead ist schon was Besonderes! Wenn mein Vater mir erzählt, wie laut die damals waren…
Tom: Ja wirklich. Ich kenne ja auch die alten Motörhead Konzerte und dann dachte ich: Brauchen die wirklich einen zweiten Gitarristen? Aber wenn man die Musik nicht komplett ändert, ist alles gut, wenn man versucht, den musikalischen Weg so weiterzugehen, den Spirit zu behalten, und sich auch nicht verändert. Wenn wir jetzt was ganz anderes gemacht hätten, zwei Gitarren in der Hand, das wäre natürlich Panne.

Eine besondere Reunion

Foto Credit: Thorsten Seiffert

Jannik: Auf dem RockHard Festival durfte ich euch neben vielen anderen Fans in der Tapping The Vein Besetzung mit Andy Brings erleben, der, wie ich fand, eine ganz andere, besondere Energie auf die Bühne brachte. Wie bist du auf die Idee des Auftritts gekommen und wie war der Auftritt für dich?
Tom: Also ursprünglich war ja geplant, dass in diesem August die Tapping The Vein Re-Release herauskommt. Da warten auch alle drauf. Dann haben wir gesagt, dass wir, um das ein bisschen zu promoten, für 30 Jahre Tapping The Vein 2-3 Nummern zum Besten geben wollen. Wir haben dann ein bisschen mit Andy geprobt und es ist klar, dass er momentan ganz andere Musik macht, über die ich gar nicht reden will, muss schließlich nicht jedem gefallen. Aber man hat auf jeden Fall gesehen, dass er noch Power im Arsch hat. Der kann noch Gitarre spielen und er kann es auch verkaufen. Er ist wirklich ein Wahnsinnsgitarrist. Das ist auch so ein Beispiel, bei dem auch eine Gitarre reichen würde, um den Sack zuzumachen. Jetzt hat das leider mit der Tapping The Vein nicht geklappt, weil wir mit der Plattenfirma immer noch Vertragsprobleme haben, weil der ganze Backkatalog bis 2016 bei BMG war und dann haben wir gesagt, die Tapping The Vein ist das nächste Re-Release nach der M16 und das wird dann wahrscheinlich im nächsten Jahr klappen. Das war einfach ne Idee, das einfach so mal zu machen.
Unser Drummer Toni hat auch gesagt, er macht auf jeden Fall mit, Tapping The Vein ist auch eines seiner Lieblingsalben. Das muss natürlich auch nicht jedem gefallen. Da gab es dann auch böse Kommentare bei Facebook drunter, wie „Schmeiß den Schlagerfutzi von der Bühne, was hat der da zu suchen?“. Da hab ich dann drunter geschrieben „Meint ihr mich jetzt?“ (lacht). Und das Tapping The Vein ist ja auch schon ein Outstanding Album und dann wollten wir auch mal sagen: Das Ding lebt jetzt auch schon 30 Jahre!

Jannik: Dort ist mir noch etwas Anderes aufgefallen: Es gibt kaum ein Genre, dass sowohl die ältere, als auch die jüngere Generation so sehr anspricht wie Thrash Metal. Was ist für dich die Erklärung für solch gemischte Altersgruppen auf euren Konzerten?
Tom: Die Fans aus den 1980ern sind natürlich mitgewachsen, so „Einmal Metalfan, immer Metalfan“. Es sind aber auch total viele jüngere Leute dabei, teilweise auch ganz junge. Letztens meinte so ein 15 jähriger: „Die ganzen 1980er Metalbands finde ich total geil, die ganzen neuen Metalcore-Sachen finde ich gar nicht so gut.“ Viele besinnen sich momentan wieder auf die Anfänge, die traditionellen Metalbands. Das ist dann noch besser. Weil wir dann mit so einem Album wie Genesis XIX alles ansprechen können und sich die junge Generation dann auch nochmal die Obsessed By Cruelty reinzieht. Das ist schon geil, wenn man beide Seiten bedienen kann. Wenn nur die Älteren Sodom hören, würden die ja dann auch irgendwann aussterben. Und es gibt wirklich so History-Fälle, wo die Leute sich dann wirklich interessieren, wie die Anfänge und unsere ersten Demos waren oder von anderen Bands. Unsere ersten Platten haben ja auch ein bisschen was bewegt und Einfluss auf neuere Bands gehabt. Es gibt viele moderne Thrash-Bands, die sowas machen wollen wie wir, Kreator oder Destruction. Das kann man nicht, man kann die Zeit nicht wiederholen, das ist klar. Man kann aber sagen: Das sind unsere Helden und wir machen eine ähnliche Musik. Das ist dann auch Schulterklopfen für uns. Aber unser Publikum ist heute sehr breit mit allen Altersgruppen gemischt.

Wann kommt die nächste Tour?

Jannik: Ende des Jahres spielt ihr als Abschluss noch einmal fünf Konzerte in Deutschland. Wann dürfen sich die Fans auf eine größere Tournee freuen?
Tom: Wenn du in Deutschland 5-6 Shows machst und auch alle Festivals im Sommer abdeckst, haben uns alle gesehen. Die Leute fragen natürlich, auch jetzt, wo wir in Mexiko waren „Wann kommt ihr mal wieder in die USA?“, das ist natürlich auch schon wieder ewig her. Südamerika steht an und wir sitzen zuhause auf gepackten Koffern. Wenn wir Angebote kriegen, sind wir da. Wenn die Papiere dann alle stimmen, gerade bei der USA-Einreise. Wir wollen und machen das. Es macht keinen Sinn, sechs Wochen in Deutschland auf Tour zu gehen, weil die Zeiten wahrscheinlich auch vorbei sind. Aber was wir gerne machen und auch im nächsten Jahr, sind kleinere Festivals, nicht nur die ganz dicken. Gerade bei den kleinen Festivals sind die Leute so froh, dass sie uns kriegen und dass wir da sind und vielleicht ein paar Leute ziehen. Aber gerade in Deutschland sind im Sommer so viele Bands auf Tour, sämtliche US-Metalbands sind hier in Europa und Deutschland auf Tour und dann muss man selbst schauen. Wir wissen auch gar nicht, wie sich alles entwickelt. Wir sind froh, wenn wir am Jahresende die paar Shows machen können. Die Tour wurde auch schon zweimal verschoben und danach werden wir dann weitersehen. Also die USA ist für uns auf jeden Fall wichtig und Südamerika auch. Sonst spielen wir auch in allen Ländern auf allen Festivals.

Die Zeit rennt, mach ein Cover!

Foto Credit: Eliran Kantor

Jannik: Das Cover für euer neues Album hat Eliran Kantor designt, der zuletzt geniale Cover für Helloween und Kreator gemacht hat. Wie kam der Kontakt zu ihm zustande?
Tom: Den Eliran kenne ich auch schon ewig, der hat ja für uns auch schon ein Cover gemacht, die In War And Pieces. Ich hab auch immer mit ihm Kontakt gehabt. Auf den letzten beiden Platten habe ich dann Joe Petagno gehabt. Der ist für mich ja eh ein Gott (lacht). Das ist für mich ein Ritterschlag, wenn er für uns ein Cover macht. Ich hatte dann noch ein Alternativcover für die Best Of, das fand die Plattenfirma dann aber nicht so gut, liegt aber jetzt als Poster mit in der Box. Und dann habe ich gesagt, wir fragen jetzt mal Eliran. Habe ihn dann angerufen und gesagt „Die Zeit rennt, mach ein Cover!“ Normalerweise kann man sich da länger austauschen, mit Skizzen und man hat länger Zeit. Dann hat er gesagt, er hat schon eine Idee und ich mach euch das. Jetzt ist da unser Henker drauf mit dem Knarrenheinz und man weiß nicht, wie der Kampf ausgeht, ob der eine schwer zusticht oder der andere ihm an die Gurgel packt. Das passt einfach so. Wenn man in die Box reinguckt und sieht das eigentliche Poster, was ich als Cover haben wollte und noch das Singlecover für die 1982 EP, dann ist da ein ganz fettes Programm in der Box und für jeden etwas dabei!

Halford oder Araya?

Jannik: Nochmal zum Thema Touren: 2001 gab es die legendäre Tour zusammen mit Kreator und Destruction. Hätte es für dich einen Reiz, so eine Riesentour nochmal zu wiederholen?
Tom: Die Idee ist ja schon seit ewigen Zeiten im Raum. Ich bin mir da aber nicht sicher, ob der Mille da mitmacht. Auf dem Mexico Metal Fest waren auch Kreator, Destruction, Tankard, Hellhammer und auch Grave Digger, also viele andere Bands und das war natürlich ein Hammerpackage. Sowas kann man auch mal in Deutschland machen. Man muss auch nicht ein paar Wochen auf Tour gehen, man könnte sagen: Dieses Package, die Big Four, ist gut für ein paar tausend Leute. Da könnte man auch mal in unregelmäßigen Abständen sagen, man geht mal in die Halle, oder man hat mal ein Wochenende frei und geht dahin. Aber ich glaube das wird Mille nicht mitmachen, der wird dann zurecht sagen, wenn wir alleine spielen, kriegen wir die Halle auch voll. Das unterstelle ich ihm jetzt mal, vielleicht ist es aber auch nicht so. Ich habe das aber so im Urin irgendwie, ich vermute das einfach mal. Mittlerweile haben aber auch alle Bands ihre eigenen Tourneen und Tankard sind ja mehr oder weniger auch Hobbymusiker und sind auch nicht so oft auf Tour. Das muss dann alles passen. Also mein Traum wär: Big Four mal hier zu machen, dann fahren wir mal in die USA, machen da drei Shows, machen dann was in Skandinavien. Ich hätte schon fast gesagt Russland, aber das kommt vielleicht ja auch nochmal irgendwann. Ist natürlich immer ein Traum, ob ich den Leuten damit einen Gefallen tue. Also Schmier und ich quatschen immer zusammen und das ist überhaupt kein Problem. Jeder hat aber unterschiedliche Plattenfirmen, Booking-Agenturen und dann greift wieder das Business und jeder hat seine eigenen Interessen.

Jannik: Ich habe auch Total Thrash gesehen und eure Kommentare dort zu sehen, hat schon Appetit gemacht, euch mal zusammen auf einer Bühne zu sehen.
Tom: In Mexiko standen wir auch alle zusammen mit dem Schmier zusammen, dann kam der raus und dann war das wie so ein Familientreffen. Das war schon geil, man kennt sich auch. Von Kreator war zumindest Jülle draußen, unser Ami und haben dann im Backstage gequatscht und das war schon geil. Im Prinzip denke ich aber, dass jeder jetzt sein eigenes Ding durchzieht. Aber wenn ein Veranstalter alle vier Bands buchen will, kann er es. Das ist auch die einzige Chance, das nochmal so zu machen. Wenn jetzt einer in Deutschland sagt „Ich hab eine große Halle oder ein großes Festival“… Bei den Big Four hat jeder eine eigene Booking-Agentur, dann buch die! Dann sind wir auch da. Ob wir dann alle zusammen wieder auf einer Bühne stehen, wie früher, das sei dahingestellt.

Jannik: Zu guter Letzt noch ein Blick in die Zukunft: Wo siehst du Sodom und dich selbst in zehn Jahren? Oder konkret: Bist du eher Halford oder Araya?
Tom: Ganz klar Tom Araya. Ich habe mal gesagt, ich will nicht wie Lemmy zum Schluss auf der Bühne stehen. Ich habe die vorletzte Show in Düsseldorf gesehen, danach war er, glaube ich, noch in Berlin. Also auf keinen Fall. Ich will nicht auf der Bühne sterben. Ich will im Bett sterben, wie sich das gehört. Da fand ich das, was Tom Araya gemacht hat, gigantisch und super. Er sagt: „Jetzt habe ich mehr Zeit für meine Familie und wenn ich auf Tour bin, sehe ich meine Kinder, Enkelkinder und Familie nicht.“ Wenn einer so ein Familienmensch ist wie Tom Araya, dann ist das der richtige Schritt, zu sagen, das ist die letzte Show, wir hatten eine gute Zeit. Bei ihm kamen dann auch noch körperliche Probleme dazu, hatte Rücken- und Nackenschmerzen, Probleme der Wirbel und vieles mehr. Irgendwann ist jede Party vorbei, darüber muss man sich im Klaren sein, ganz unabhängig vom Alter. Wenn ich jetzt mit 70 noch fit bin und ich kann das noch irgendwie machen, dann mach ich das auch. Aber wenn das dann zur Qual wird…es ist ja nicht nur die 1-2 Stunden auf der Bühne, es ist die ganze Reiserei und der ganze Stress, den man sich auftut. Für eine Show waren wir jetzt fünf Tage in Mexiko, mit irre vielen Flügen und stundenlangen Aufenthalten an Flughäfen. Dann fragt man sich manchmal: Muss ich das überhaupt noch haben? Geld verdienen können wir alle noch, so ist das nicht, aber ich denke, dass Tom Araya dann auch gut vorgesorgt hat in den letzten Jahren. Es passt dann bei ihm. Aber wenn es zum Abgang geht, mach ich es wie er, auf jeden Fall. Noch sind wir gesund und kreativ, aber wenn es dann aufhört, es kann ja eine Krankheit dazwischenkommen oder so, dann ist Feierabend. So gerne man das auch macht, man muss es dann nicht bis zum allerletzten ausquetschen. Die Stones machen es ja immer noch, aber die Jungs werden auch anders gepflegt als wir.

Jannik: Die habe ich tatsächlich auch live gesehen, obwohl da, glaube ich, auch mehr aus dem Background als von der Bühne kam…
Tom: Aber die spielen immer noch das Zeug live, ganz im Gegensatz zu vielen Metalbands heutzutage, unterstelle ich ihnen mal. Aber wenn es dann anfängt, dass die Vocals von der Festplatte kommen oder so, dann ist Feierabend. Dann muss man sagen: „Das war es jetzt!“ So wird es dann bei mir auch kommen, denke ich mal. Man denkt da auch überhaupt nicht drüber nach, aber irgendwann ist der Tag gekommen, an dem ich sage: Okay, ich bleib mit dem Arsch zuhause, man hat genug Hobbies und Interessen. Klar, das Geld muss natürlich immer stimmen in jedem Monat. Aber wenn man so todkrank wie der Lemmy noch auf der Bühne steht, geht das gar nicht. Damit tut er sich selbst keinen Gefallen und den Leuten da unten auch nicht.


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