Septagon – Nachgefragt bei Ulle – Interview
Septagons drittes Album We only die once ist bei mir wie eine Bombe eingeschlagen. Also ließ ich es mir nicht nehmen, mit Leadgitarristen Ulle ein bißchen über das Album und über aktuelle Themen zu sprechen.
Frank (Soundmagnet.eu): Hallo Ulle, erst einmal möchte ich euch für ein hervorragendes Album gratulieren. Meiner Meinung nach ist es euer bestes Album. Wie zufrieden bist du/seid ihr mit dem Album?
Ulle (Septagon): Vielen Dank. Ja, natürlich ist es auch für uns das bisher beste Album, aber das muss ich ja auch sagen. Die letzte Platte hatte zwar starke Songs, klang für uns aber einfach ein wenig unrund und hat eben auch nicht so geballert, wie das urprünglich geplant war. Daher haben wir dieses Mal bewusst auf jedes kleine Detail geachtet und uns bei der Produktion auch entsprechend die Zeit genommen, die notwendig war.
„…und uns bei der Produktion auch entsprechend die Zeit genommen…“
Frank: Wie habt ihr in Zeiten der Pandemie, das Songwriting gestaltet oder waren die Songs schon vor der Pandemie fertig geschrieben? Hat jeder in der Band etwas zum Songwriting beigetragen?
Ulle: Rein musikalisch waren die Songs schon lange vor der Pandemie geschrieben, sodass uns das nicht wirklich ausgebremst hat. Wir mussten dann vor dem ersten Studiotermin lediglich die letzten Proben etwas genauer planen, die waren dann aber im Sommer, als es mal zufälligerweise keinen Lockdown gab. Prinzipiell kommen die Songs was die Musik betrifft entweder von Stef oder von mir und wir haben dann auch nicht nur einzelne Parts, sondern komplette Stücke. Das bedeutet aber eben nicht, dass dann niemand mehr Einfluss nehmen kann. Wir passen die Demos in der Regel noch an und dann proben wir und arbeiten eben entsprechend noch Feinheiten aus. Alex und Daniel nehmen also durchaus auch noch Einfluss und interpretieren gewisse Parts eben auf ihre Weise, Markus fügt dann nach und nach Gesangsdemos dazu und auch da gibt dann der eine oder andere noch seinen Senf dazu. Letzten Endes zählt der Song und nicht das Ego des Songwriters.
Frank: We only die once besitzt einen amtlichen Katalog an grandiosen Riffs und sehr eingängige Melodien. Wie sieht so ein kreativer Prozess bei dir/euch aus? Ist die Herangehensweise an ein Album bei dir/euch immer gleich?
Ulle: Ja, eigentlich schon. Ich kann jetzt nur von „meinen“ Songs reden. Wenn ich Musik schreibe, bin ich in meinem sogenannten Album-Modus und sitze eigentlich täglich am jeweils neuen Song. Die restliche Zeit über schwirren auch konstant Ideen und Übergänge in meinem Kopf rum; bis zu einem Grad, dass es eigentlich nur noch nervt und ich fast durchdrehe – es geht aber nicht anders. Es kann auch sein, dass ich irgendwelche Refrains oder Bridges 10 oder 20 mal verwerfe und wieder neu mache, oder das evtl. die eigentliche Idee des Songs zum Schluss gar nicht mehr enthalten ist. In der Regel gibt es bei mir bei einem 5-minütigen Song mit Sicherheit 10-15 min. Ausschuss. Das sind keine schlechten Parts, aber es fließt eben mit diesen Ideen vielleicht nicht so. Irgendwann hat man einfach die Erfahrung was passt und was nicht. Der größte Fehler beim Songwriting ist, an guten Parts krampfhaft festzuhalten, auch wenn sie nicht in den Song passen.
Wenn ein Song als Demo bei mir rausgeht, stecken da schon viele Stunden Arbeit drin und ich weiß dann auch, dass er gut ist. Letzten Endes kann die Struktur danach immer noch abweichen, aber es gibt sicherlich keine radikalen Änderungen mehr. Die eigene Qualitätskontrolle sollte nach so vielen Jahren einfach funktionieren.
In Gardens of Madness steckt musikalisch alles drinnen
Frank: Für mich klingt Ihr noch mehr nach US-Thrash als zuvor. Besonders der motivierende Titeltrack hat es mir angetan. Wenn du wählen könntest, welcher Song wäre denn dein Baby und warum?
Ulle: Das wechselt bei mir schon auch regelmäßig und ich kann wirklich sagen, dass ich alle Songs sehr mag. Müsste ich mich für einen entscheiden, den ich selbst geschrieben habe, würde ich wohl „Gardens of Madness“ nehmen. Da steckt musikalisch eigentlich so ziemlich alles drin, was man in einen Song dieser Art reinbauen kann.
Frank: Das Album erzählt viele kleine Geschichten, so auch die Story von Ekke Nekkepenn. Sie erinnert an Rumpelstilzchen. Wer ist dieser Ekke? Hat Markus hier die Texte geschrieben?
Ulle: Markus hat alle Texte geschrieben und erinnert uns aber in regelmäßigen Abständen daran, dass wir uns ruhig mal beteiligen dürfen..hahaha.
Ja, die Story ist fast identisch zu Rumpelstilzchen, nur dass es eben eine friesische Sage ist. Ich gehe aber mal davon aus, dass der Verfasser sich da großzügig bei den Gebrüdern Grimm bedient hat.
Kultur hat in Deutschland schlicht nicht den Stellenwert, den es nach außen hin verkauft
Frank: Mit The Rant seid ihr auch sehr gesellschaftskritisch. Seid ihr unzufrieden mit der Politik in Europa? Vor allem die Corona-Entscheidungen in Bezug auf die Musikbranche, Liveclubs werden sehr kontrovers gesehen.
Ulle: Ja, inzwischen ist das einfach nur noch unbefriedigend. Es ist ganz klar, dass Maßnahmen notwendig sind. Nachdem man aber nun wirklich lange Zeit hatte, sich darauf vorzubereiten, fällt es immer mehr auf, dass vollkommen willkürlich irgendwelche sinnlosen Entscheidungen getroffen wurden und werden. Es gab wirklich sinnvolle Konzepte, aber von staatlicher Seite eben kaum oder gar keine Unterstützung. Ich verstehe auch nicht, warum man nicht nach Voranmeldung mit Sicherheitsabstand und Schnelltest in einem Restaurant mit erprobtem Sicherheitskonzept essen kann, aber problemlos mit 200 anderen Leuten im Flieger nach Malle hocken darf. Das ist so planlos, dass ich wenn ich daran denke echt nen Hals schiebe.
Bis auf die fehlenden Gigs sind wir nicht persönlich betroffen, aber um die ganzen Clubs und freischaffenden Künstler tut es mir nur noch leid. Kultur hat in Deutschland schlicht nicht den Stellenwert, den es nach außen hin verkauft. In dieser Sache hat die Regierung so dermaßen versagt, dass es führenden Politikern eigentlich peinlich sein sollte, ihre Visage überhaupt noch vor irgendeine Kamera zu drücken. Schamgefühl kennen halt nur wenige.
Frank: Daniel Buld ist nicht nur euer Quoten Langhaariger, sondern auch euer neuer Drummer. Wie kam der Kontakt zustande und warum ist Jürgen überhaupt ausgestiegen?
Ulle: Jürgen war das alles zu viel und er wollte einfach nicht mehr so Gas geben und hatte auch keine so große Lust auf Gigs. Er meinte dann einfach wir sollten uns auf die Suche begeben. Nach einigen Monaten haben wir dann endlich Daniel gefunden und es hat von der ersten Sekunde an gepasst. Es gab aber wirklich null böses Blut und verlief völlig reibungslos, ich denke sogar Jürgen ist einer der größten Fans der neuen Platte und einfach ein super Typ.
Frank: Hat das Cover eine bestimmte Bedeutung?
Ulle: Ja. Es soll einfach aussagen, dass es egal wer du bist, wie du aussiehst oder was du hast. Irgendwann bist du tot. Es liegt also an dir das Beste daraus zu machen, dass sich dein Leben auch gelohnt hat.
Alter Kram auf Vinyl macht wesentlich glücklicher
Frank: Auf welche Band fährst du aktuell so richtig ab und kannst unseren Lesern ans Herz legen?
Ulle: Ich bemerke langsam auch bei mir, dass ich zum alten Sack mutiere. Während ich bis vor ein paar Jahren fanatisch neue Alben gekauft habe, ertappe ich mich in letzter Zeit dabei, dass ich mir meist nur noch alten Kram, den ich seit 100 Jahren kenne, auf Vinyl besorge. Tatsächlich macht mich das aber umso glücklicher.
Es gibt durchaus auch neue Sachen die ich mag, aber ich kann diesem Trend, mit aller Gewalt auf 80er zu machen, einfach null abgewinnen. Einflüsse sind okay und toll, aber ich mag keine Band, die im Jahr 2021 wie ein schlechtes Abziehbild von Maidens „Killers“ klingt. Ich stehe auch weder auf Rumpelproduktionen, noch auf schräge Sänger oder verstimmte Gitarren, die eine Band dann im Underground plötzlich zum neuen heißen Scheiß werden lassen. Wer seit 30 Jahren mit Scheuklappen durch die Gegend läuft, für den ist das evtl. toll geschmacklich zu stagnieren und zumindest stilistisch bedient zu werden. Als aufgeschlossener Fan juckt mich das hingegen wenig, ich möchte Qualität. Als Musiker darf und will ich das noch nicht einmal betrachten, da wäre mein Urteil härter.
Ich freue mich also tatsächlich auf ein kommendes Gojira-Album mehr, als auf die neue episch-kauzige Doomsensation aus Absurdistan. Bands, die aus durchaus traditionellen Einflüssen was Neues machen, die frisch klingen und auch spielen können, weiß ich aber dennoch zu schätzen. In letzter Zeit mochte ich z.B. die neuen Sachen von Alitor oder Cryptosis sehr gerne.
Frank: Zu guter Letzt möchte ich dich nach einem Schwank aus deiner Jugend fragen. Wann hast du angefangen mit dem Gitarre spielen und was war die Initialzündung für dich Musik zu machen?
Ulle: Ich war mit 15 tatsächlich schon nicht mehr ganz jung, aber unglaublich motiviert. Das hat mir gerade in den ersten 2-3 Jahren sehr geholfen, weil ich praktisch nichts anderes gemacht habe als Gitarre zu spielen. Zum ersten Mal daran gedacht habe ich glaube ich, als ich die damals neue Keeper 1 von Helloween gekauft hatte. Ich mochte irgendwie die Leads und dachte das kann ja nicht so schwer sein, wenn die ganzen langhaarigen Typen das auch können. Im Endeffekt hatte ich mich da etwas getäuscht, aber da reifte eben zumindest der Entschluss, vielleicht doch irgendwann mal zu spielen.
Ich weiß noch, dass ich meine erste Gitarre am ersten Ferientag im Sommer bekam und mein Zimmer eigentlich erst wieder verlassen habe, als ich sechseinhalb Wochen später wieder in die Schule musste. Bis heute behaupte ich ja, dass das die für mich als Gitarrist wichtigsten Wochen meines Lebens waren. Ob das stimmt weiß ich nicht, aber es klingt zumindest schön nerdig.
Frank: Vielen Dank Ulle für Deine aufgebrachte Zeit.
Ulle: Dank Dir vielmals!
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