Reinforcer – Nachgefragt bei Niclas Stappert – Interview

Reinforcer haben mit Prince Of The Tribes ihr erstes komplettes Album vorgelegt. Fand ihre erste EP The Wanderer schon großen Anklang, so konnte die Band mit dem neuen Album nicht nur mich in Verzückung versetzen. Grund genug nicht nur darüber zu reden, sondern auch mit dem Gitarristen Niclas Stappert das Umfeld der Band, der Produktion und die Inhalte des neuen Albums genauer zu beleuchten.


Foto Credit: Niclas Stappert, Backstage Pro

Andreas: Glückwunsch von meiner Seite zum neuen Album. Von Beginn an hört man, dass es ein deutlicher Levelsprung gegenüber eurer EP The Wanderer ist. Von den Strukturen bis hin zum Mix wirkt alles noch organischer. Sind die drei Jahre Erfahrungen zwischen den beiden Veröffentlichungen dafür verantwortlich oder gibt es da noch andere Gründe?
Niclas: Hi Andreas. Erstmal danke für das Kompliment. Wir freuen uns natürlich sehr, dass dir das Album so gut gefällt und insbesondere, dass du die Weiterentwicklung so deutlich wahrgenommen hast. Die gesammelten Erfahrungen spielen dabei sicherlich eine Rolle, aber es gibt auch noch viele weitere Gründe. Zunächst einmal war die gesamte Herangehensweise diesmal eine andere. Die Songs für die EP sind teilweise schon entstanden, als wir noch gar kein komplettes Line-Up zusammen hatten und vor allem noch ohne Sänger dastanden. Die Tracks für das neue Album konnten wir hingegen viel besser auf Reinforcer maßschneidern. Vor allem der Einbezug von Logan in die Vocal-Arrangements hat, wie ich finde, eine sehr wichtige Auswirkung gehabt. Aber zum Songwritingprozess kommen wir ja bestimmt später noch.

Grundsätzlich bin ich mittlerweile ein großer Fan davon, keine halben Sachen zu machen

Im Hinblick auf die Produktion haben wir diesmal bewusst mehr Zeit und natürlich auch Geld investiert. Die EP sollte einfach nur eine kleine Kostprobe von unserer Musik sein, an das Debüt-Album haben wir da ganz andere Ansprüche gestellt. Für Drum-Recordings, Mix und Master ins renommierte Kohlekeller Studio zu gehen, war definitiv ein wichtiger und richtiger Schritt. Grundsätzlich bin ich mittlerweile ein großer Fan davon, keine halben Sachen zu machen, sondern in allen möglichen Bereichen das Bestmögliche rauszuholen. Das fängt bei der Produktion an und geht bei Dingen wie Artwork oder auch banal erscheinenden Aspekten wie Bandfotos et cetera weiter. Klar muss man da auch immer etwas mehr Geld in die Hand nehmen, aber es lohnt sich einfach ungemein mit absoluten Profis zusammenzuarbeiten.

Andreas: Viele Bands gehen mit halbfertigen Sachen ins Studio und vollenden erst dort. Andere haben viele Ideen, nehmen mehr Songs auf als aufs Album passen und sortieren dann aus. Wie ist das bei euch abgelaufen? Seid ihr die spontanen oder die gut vorbereiteten Typen?
Niclas: Da fragst du am besten mal unsere Produzenten Ruschi und Kai, ob sie nach dem hundertsten Take noch der Meinung waren, dass wir gut vorbereitet sind. 😀 Aber Spaß beiseite. Grundsätzlich standen unsere Songs zu 95% als es ins Studio ging. Das ein oder andere Gitarrensolo oder ein paar Harmonien hier und dort ergeben sich natürlich immer nochmal während des Recording-Prozesses. Ansonsten hatten wir zu jedem Song eine komplett fertige Pre-Production, die wir dann fast 1 zu 1 für das Album umgesetzt haben. Das ist zum einen natürlich ein sehr entspanntes Arbeiten, zum anderen haben wir auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, uns tagelang im Studio einzuschließen und da noch großartig an Songs rumzubasteln. Das passiert bei uns komplett während der Vorproduktion.

Über Texte, den roten Faden und die Message

Andreas: Prince Of The Tribes unterliegt keinem direkten Konzept und trotzdem ziehen sich Themen wie Freiheit und Kampf für Selbstbestimmung, abgesehen von Z32, wie ein roter Faden durch. War das so beabsichtigt oder hat es sich einfach ergeben?
Niclas: Das hat sich tatsächlich einfach so ergeben, ist aber sicherlich auch auf Logans Art und Weise Texte zu schreiben zurückzuführen. Grundsätzlich haben wir keine Vorgaben, wovon unsere Songs handeln sollen. Wenn es da eine coole Idee gibt, dann besteht in aller Regel auch die Möglichkeit, sie im Rahmen eines Songs umzusetzen. Logan schafft es immer wieder, solche von dir genannte Themen wie Freiheit etc. geschickt in verschiedene Storys zu verpacken. Wenn ich mal Lyrics schreibe, dann geht es mir in aller Regel darum, einfach eine coole Geschichte zu erzählen, Logan ist da etwas tiefgründiger. Grundsätzlich sind wir aber weit davon entfernt, irgendwelche Weltverbesserungs-Messages oder ähnliches zu verbreiten. Die Leute sollen einfach eine gute Zeit haben, wenn sie unsere Musik hören und wenn man dabei sich oder seine Ideale in dem ein oder anderen Song wiederfindet, ist das sicherlich auch ganz cool.

Ich mag einfach Musik, bei der man direkt die Faust in die Luft reißen kann

Andreas: Geht man die Songs durch, sind viele Lyrics thematisch im Mittelalter angesiedelt oder von geschichtlichen Ereignissen abgeleitet. Lässt sich Power Metal besser mit historischen Ereignissen verbinden und passen zwischenmenschliche Themen wie Liebe und Herzschmerz einfach nicht zu eurem Stil?
Niclas: Shieldmaiden ist doch eine sehr traurige Liebesgeschichte, wenn auch ein wenig an die sonstige Thematik angepasst. Aber ja, grundsätzlich passen diese historischen oder mittelalterlichen Themen sehr gut zu unserer Art des Power Metal. Das Ganze unterstützt unseren kraftvollen und zugleich episch melodischen Sound. Ich mag einfach Musik, bei der man direkt die Faust in die Luft reißen kann und am liebsten sofort aufstehen und mit seinen Kumpels die ganze Welt erobern würde. Eine Ballade im Savatage-Stil oder ähnlichem würde, denke ich, wirklich ein bisschen fehl am Platz bei uns wirken. Das ist jetzt allerdings rein auf Reinforcer bezogen, grundsätzlich kann und soll jeder singen, worüber er möchte, völlig egal um welche Metal Stilrichtung es sich handelt.

Andreas: Im letzten Albumtrack Z32 wird die Geschichte des Zodiac-Mörders aus Sicht des Täters erzählt. Die musikalische Umsetzung ist so passend, dass ich mir vorstellen könnte, dass die Idee zur Story zuerst da war und dann die Musik auf den Text geschneidert wurde. Ist das so gewesen und wie kam es überhaupt zu dieser Idee?
Niclas: Z32 ist wirklich etwas besonderes, was die Entstehung angeht. In der Regel entsteht bei uns erst die Musik und dann der Text. Logan kommt also eigentlich erst dann ins Spiel, wenn ein Song weitestgehend fertig ist. Z32 ist der einzige Song, bei dessen Entstehung Tobi, Logan und ich gleichzeitig bei mir im Homestudio waren. Musik und Text sind also parallel entstanden. Da kamen dann die ersten Riffs und Melodien zusammen, für die Logan direkt die passende Thematik bereit hatte. Das Ganze war dann wirklich ein Selbstläufer. Da hat vom ersten Moment an alles gepasst. Das ist eher ungewöhnlich, wenn man sich konkret zum Songwriting trifft. Irgendwie steht man dann doch immer ein wenig unter Druck, dass da jetzt was bei rumkommen muss und das fördert nicht unbedingt die Kreativität. Im Fall von Z32 war es zum Glück genau andersherum. Vielleicht werden wir beim nächsten Album diese Arbeitsweise ein paar weitere Male ausprobieren und schauen einfach mal, wohin es führt.

Das Coverartwork stammt erneut von Künstler Hendrik Noack

Andreas: Das Albumcover von Prince Of The Tribes passt zum gleichnamigen Track, aber auch stilistisch zum Cover eurer ersten EP und von der Farbgestaltung auch zu den Bandfotos. Habt ihr da die Feder geführt oder wurden da Vorschläge von Seiten des Labels unterbreitet?
Niclas: Das ist tatsächlich alles auf unseren Mist gewachsen. Das Albumcover war sogar schon fertig, als wir uns bei den Labels beworben haben. Ich finde, das macht einfach einen besseren Eindruck, wenn man da ein ordentliches Gesamtpaket in der Hand hat. Die stilistische Ähnlichkeit ist natürlich durch die erneute Zusammenarbeit mit Künstler Hendrik Noack zu erklären. Ich finde es auch irgendwie einfach cool, wenn sich da so eine gewisse Stilistik aneinanderreiht. Grundsätzlich lässt uns das Label bei solchen Dingen auch absolut freie Hand, egal ob es um das musikalische oder Dinge wie Musikvideos et cetera geht. Uns wurde deutlich gesagt: „Wir haben euch unter Vertrag genommen, weil wir an euch als Künstler glauben, also trefft ihr auch die künstlerischen Entscheidungen.“ Das ist auf jeden Fall eine sehr coole Einstellung und macht das Arbeiten natürlich sehr angenehm.

Andreas: Zum Thema Mitspracherecht und Banddemokratie: bringt ihr euch alle zu gleichen Teilen ein und wie entscheidet ihr, welche Idee genommen wird und was verworfen wird?
Niclas: Eine interessante Frage, weil es da eigentlich wirklich kaum Diskussionen gibt. Wir haben irgendwie eine natürliche Hierarchie entwickelt. Der eine bringt sich in dem Bereich mehr ein, der andere wiederum in einem anderen. Da ist jeder froh, wenn er sich um seinen Bereich kümmert und hat damit in aller Regel auch genug zu tun. Wenn es um die Songs geht, stammen die Kompositionen ja von Tobi und mir und die Texte größtenteils von Logan. Wenn da irgendwas dabei ist, was die Band nicht überzeugt, dann merken auch die Schöpfer recht schnell, dass da irgendwas nicht passt und dann besteht auch keiner darauf, dass die Idee aber doch besonders toll ist… war sie dann nämlich vermutlich auch wirklich nicht. 😀 Auch wenn ich als Arrangeur theoretisch das letzte Wort hätte, musste ich noch nie jemandem meine Vorstellungen aufdrängen oder anderen irgendwas ausreden.

CD und Vinyl, ja! Denn…Wir sind selber noch sehr an Tonträgern interessiert

Andreas: Eure beiden Releases sind nicht nur digital und auf CD, sondern auch auf Vinyl erschienen. Seid ihr selber noch an Tonträgern interessiert, oder seht ihr perspektivisch nur noch einen digitalen Markt mit Liveauftritten?
Niclas: Wir sind selber noch sehr an Tonträgern interessiert und von daher war es uns auch ein großes Anliegen, dass das neue Album wieder auf Vinyl erscheint. Es ist einfach ein ganz anderes Gefühl, eine CD oder vor allem auch eine LP aufzulegen, sich hinzusetzen, das Cover anzuschauen und im Booklet zu blättern. Wirklich ein viel intensiveres Musikerleben. Ich bin froh, dass das viele Metalfans genauso sehen, das lässt sich ja anhand der Charteinstiege diverser Metalbands, zuletzt wieder Helloween auf Platz 1, sehr gut erkennen. Von daher hoffe und glaube ich auch, dass es einen Markt für physische Tonträger, zumindest im Heavy Metal, noch lange geben wird.

Auf Anfrage signiert die Band die Bestellungen – Fan Wünsche werden erfüllt!

Andreas: Ihr seid mit Scarlet Records bei einem italienischen Label. Trotz digitaler Technik ist das doch ein Stück entfernt von Paderborn. Bekommt Ihr Unterstützung für eventuelle, demnächst wieder mögliche Touren oder was möchtet ihr da zusammen gestalten?
Niclas: Wir haben vom Label schon eine sehr interessante Anfrage für einen Supportslot auf einer kleinen Europatour in diesem Jahr erhalten. Auf Grund der ganzen Unsicherheiten im Hinblick auf Corona, war es uns als nicht hauptberufliche Musiker allerdings unmöglich, da zuzusagen. Wir hoffen auf jeden Fall, dass, wenn die Zeiten wieder etwas berechenbarer sind, es bald eine ähnliche Möglichkeit geben wird. Mal schauen, was, wo, wann und in welchem Ausmaß da möglich ist. Aktuell wäre es ja schon toll, überhaupt mal wieder auf einer Bühne stehen zu können, da ist es auch ganz egal ob in Bratislava oder in Paderborn.

Andreas: Was sind eure Wünsche für die Zukunft und was wollt ihr den LeserInnen noch mitteilen?
Niclas: Den ersten Wunsch habe ich ja gerade schon zum Ausdruck gebracht. Ansonsten hoffen wir einfach, mit unserem Album möglichst vielen Menschen eine Freude zu machen und dafür zu sorgen, dass sie eine geile Zeit haben, wenn sie unsere Platten auflegen. Wer sich da noch mit Tonträgern eindecken möchte, schaut gerne einfach mal auf unserer Webseite HIER vorbei. Auf Anfrage signieren wir natürlich auch alles und versuchen, jeden Fanwunsch zu erfüllen.


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