Osi and the Jupiter – Nachgefragt bei Sean Kratz – Interview
Osi and the Jupiter stehen für nordischen Folk, made in the USA. Pünktlich zur Veröffentlichung des neuen Albums Stave hat uns Mastermind Sean Kratz ein paar Fragen beantwortet. Herausgekommen ist ein Gespräch über Spiritualität, Mythologie, kosmische Energien und Musik als Rückzugsort aus der immer schnelllebigeren und zunehmend hysterischen Welt.
You can find the original Interview in English HERE.
Markus (Soundmagnet.eu): Hallo und danke für deine Zeit. Auf deinem letzten Album Stave hast du wieder alle Instrumente selbst eingespielt – bis auf das Cello, das von deinem Freund Kakophonix aufgenommen wurde. Wie läuft das Songwriting bei dir ab? Womit fängst du an, wie entscheidest du, ob ein Song fertig ist oder weitere Elemente braucht?
Sean (Osi and the Jupiter): Normalerweise beginne ich mit einem Gitarrenriff oder einer Synthesizer-Konstruktion sowie mit Schlagzeug. Danach schreibe ich den Text und nehme ihn auf. Als letztes kommt das Cello hinzu. Ich schicke meinen aktuellen Song an Kakophonix und er schickt mir alle Stems zum Abmischen. Danach füge ich Effekte und alles andere zusammen mit meinem kompletten Mix hinzu.
Musik als Verehrung der Natur
Markus: In den Informationen zu Stave heißt es, dass das Album von den Appalachenwäldern im östlichen Ohio beeinflusst ist. Wie können wir uns diesen Einfluss vorstellen? Gehst du in den Wäldern spazieren, studierst du die Geschichte der Region?
Sean: Stave bezeichnet eine hölzerne Struktur in einer Kultstätte, aber auch einen Musikstab. Der Albumtitel bezeichnet somit einen Ort der Verehrung in der Natur, der auf einer spirituellen Ebene von Musik geleitet wird. Ich bin ganz in der Nähe der Appalachen aufgewachsen, mit Pennsylvania im Osten und den Appalachen von Ohio im Süden, jeweils etwa eine Stunde entfernt. Ich wandere viel und verbringe so viel Zeit wie möglich an diesen Orten und auch an anderen Orten, die ich bereise. Auf meinen Reisen lerne ich immer mehr über Folklore und andere Dinge.
Markus: Europäer assoziieren Neofolk-Musik meist mit skandinavischen Bands, deren Lieder von der Natur und alten, sakralen Themen handeln. Die skandinavische Mythologie wird nicht unbedingt mit den USA in Verbindung gebracht. Trotzdem ist deine Musik in einer ähnlichen Stilrichtung angesiedelt. Spielen längst vergangene europäische Mythen für dich eine Rolle? Wenn ja, welche?
Sean: Das tun sie definitiv, ebenso wie andere Mythen. Ich bin nicht strikt auf eine Mythologie fixiert, aber ich fühle mich sehr zur skandinavischen Mythologie hingezogen. Ich studiere im Moment eher die indianische und keltische Mythologie, um so viel darüber zu lernen wie möglich.
Kosmische Energien sind überall
Markus: Die Natur ist heute auch ein politisches Thema. Fridays for Future, nachhaltiges Wirtschaften, Schutz der Weltmeere – die Liste ist lang und meist wird ein Widerspruch zwischen menschlichem Verhalten und der Natur unterstellt, ohne ihn genau zu benennen. Siehst du hier auch einen Widerspruch, oder wie verstehst du den umfassenden Begriff der „Natur“?
Sean: Natur sind die Berge, die Ozeane, die Wüste, die Ebenen und die Wälder. Landschaften der Ehrfurcht und inspirierende Nahrung für die Seele durch diese Orte. Tiere, die dort leben und Wesen, die in ihrer Mitte wohnen. Natur mag für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge bedeuten, aber das ist meine Zusammenfassung davon. Auch die Natur ist der Wille der kosmischen Energien von Leben, Tod und Wiedergeburt.
Markus: Spiritualität ist ein weiteres heißes Thema. Viele Menschen wenden sich von den traditionellen Religionen ab und suchen stattdessen ihr Glück in der Esoterik oder in anderen metaphysischen Konzepten, die schwer zu fassen sind. Was bedeutet Spiritualität für dich und gibt es Unterschiede zwischen Religion, Spiritualität und Esoterik?
Sean: Spiritualität ist der Weg und die Verehrung eines bestimmten Konzepts, Elements oder Lebensstils, um die eigene Seele und das eigene Wesen zu formen und wachsen zu lassen. Es gibt sehr viele Religionen und Glaubenssysteme, die meiner Meinung nach im Kern in gewisser Weise miteinander verbunden sind, sich aber auch in mancher Hinsicht unterscheiden. Auch ich beschäftige mich mit Esoterik durch Meditation, Kreativität und lebenslanges Suchen und Lernen. Ich glaube, dass Spiritualität definitiv mit diesen beiden Konzepten auf unterschiedliche Weise verbunden ist, oder auch auf ähnliche Weise. Je nachdem, wie der Weg des Einzelnen aussieht.
Markus: Zurück zu deiner Musik. Diese fordert von ihren Zuhörern Zeit und Konzentration. Das schafft einen weiteren Kontrast – auf der einen Seite die immer schnelllebigere Welt, auf der anderen Seite eine Art musikalische Gegenbewegung. Beschäftigung mit sich selbst statt ständiger Ablenkung, sozusagen. Bewusste Herangehensweise oder einfach Ergebnis deiner Weltanschauung und deines kreativen Ansatzes?
Sean: Die Musik in diesem Projekt ist mit meinem spirituellen Weg verbunden, sie inspiriert mich musikalisch und spirituell und wächst mit mir, und ich lerne immer noch eine Menge auf diesem Weg. Es ist auch inspirierend, dass die Musik den Menschen auf viele verschiedene Arten hilft und einige wieder mehr mit der Natur verbindet, oder sie auch wieder auf den Weg zu ihren Lebenszielen bringt.
Live-Pläne und Musiktipps
Markus: Niemand hört dieses Thema mehr gerne, aber leider wird es uns noch eine Weile begleiten: Covid-19 beeinflusst immer noch stark das Leben von Künstlern weltweit. Wie hat die Pandemie deine Arbeit beeinflusst und kannst du dir vorstellen, in Zukunft für ein paar Gigs nach Europa zu kommen?
Sean: Zu Beginn von Covid hatte ich einige Termine in den USA, die leider wegen des Lockdowns abgesagt wurden, aber in den letzten Monaten ging es glücklicherweise wieder bergauf. Während der Anfangsphase von Covid habe ich begonnen, eine Handvoll Covers sowie einige neue Songs aufzunehmen, also war ich sehr beschäftigt und habe auch die ganze Zeit gearbeitet, da ich beruflich mit Tieren zu tun habe. Es sind Pläne für Europa in Arbeit, wir planen für nächstes Jahr. Also haltet die Augen offen, ich hoffe wirklich, dass sich alles zum Guten wendet.
Markus: Wir sind immer auf der Suche nach neuer Musik. Welche Bands aus deiner Heimat kannst du uns empfehlen?
Sean: Ich höre eine Menge verschiedener Musik, aber hier sind ein paar Bands und Musiker, die ich empfehlen kann. Wovenhand, Night Profound, Matt Heckler, Blood and Sun, Willie Watson, Sun and Moon dance, Lotona Odola, Horse Cult, Crooked Mouth, Backworld, Cradle of Judah, Vintergrav, S.E.R.P.E.N.T. – um nur einige zu nennen. Es gibt noch viel mehr.
Markus: Jemand kennt Osi und die Jupiter nicht und würde gerne ein bisschen in die Musik reinhören. Welche Lieder würdest du für den Einstieg empfehlen?
Sean: Baldur, Fjorgyn, Craft, Wights, In Death, Folk of the Woods. Die meisten unserer Singles.
Markus: Vielen Dank für das Gespräch! Die letzten Worte gehören dir.
Sean: Vielen Dank für die Einladung. Ich wünsche allen beste Gesundheit und hoffe, dass ihr auf eurem Weg etwas findet, was eure Seelen antreibt und das ihr hinausgeht, um das Leben zu erleben.
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