Offernat – All Colours Retract – Album Review

Offernat – All Colours Retract
Herkunft:
Copenhagen / Dänemark
Release:
09.09.2022
Label:
Eigenproduktion
Dauer:
48:06
Genre:
Experimental / Progressive / Post Metal  


Foto Credit: Michell Smedegaard

Offernat ist ein Trio aus Kopenhagen, das sich erst 2020 gründete und im darauffolgenden Juni bereits eine selbstbetitelte EP veröffentlichte. Einige Konzerte folgten.

Das nun vorliegende Debütalbum mag angesichts der nur vier Song starken Tracklist anmuten, dass uns erneut eine EP vorliegt, doch die hat es mit einer Gesamtlänge von 48 Minuten in sich und ist es auf jeden Fall wert, als ganzes Album wahrgenommen zu werden. Die vier überlangen Tracks von bis zu vierzehn Minuten Spielzeit wurden tatsächlich in nur vier Tagen in den Full Moon Studios in Kopenhagen mit dem Produzenten Simon Sonne Andersen, bekannt von Orm, Katla oder auch Halshug, aufgenommen.

Eine Ménage-à-trois – erschütternd und faszinierend 

Die drei Musiker stammen allesamt aus unterschiedlichem musikalischen Hintergrund und verschmelzen scheinbar zufällig zu einer Ménage-à-trois, die es in sich hat.

Bereits der Opener Inside the Fog offenbart zwiespältige Welten. Kompositorisch durchlebt der Hörer in diesem Track eines der wohl breitesten Spektren durch die Genren des Metal, das ich seit langem gehört habe. Wütend und mit kontrolliertem Chaos dröhnen Dissonanz und melodische Klangbögen, Harmonien und perfekte musikalische Technik aus den Boxen, die schlussendlich in einem experimentell grellen Raum enden. 

Man kann nicht anders, als unmittelbar den zweiten Track anzuchecken: The Winds. Black Metal artige Drums mit schnellen Beats eröffnen den vierzehnminütigen Reigen, den ich euch HIER via Bandcamp unbedingt ans Ohr legen möchte. Kommt, spürt die Macht der Band! Der Track mäandert sich durch die Gehirnwindungen, baut Spannung auf um dann in der Mitte des Tracks Ambivalenz in reinster Kultur zu präsentieren. Da ist er wieder dieser experimentelle ganzheitliche Ansatz voller Melancholie. Doch der Track nimmt eine erneute Wende, der stille Protagonist des Songs erhebt sich abermals und tönt mit Post Metal Attitüde voller Mut weiter dem Ende entgegen. Der keifende, core typische Gesang unterbricht, zerschneidet die Atmosphäre und schafft völlig neues, das in ewige Verdammnis ausufert.

Gegen das Innere und gegen das Äußere – was bleibt? 

Laut Band richtet sich die Stimme gegen das Innere und das Äußere: nach außen in die Welt, in einem verzweifelten Versuch, die dystopischen Realitäten, in denen wir leben, anzuprangern, ein aktivistischer Schrei aus den dunkelsten Tiefen der Welt. Aber auch nach Innen, in die Einsamkeit und Isolation, das Verlassen der materiellen Welt, um sich selbst zu konfrontieren.

Besser als durch das vorliegende Debüt könnte dieser Disput nicht dargestellt werden. Doch was bleibt? Die Band bricht jegliche Tabus. Seien es Genregrenzen, seien es kompositorische Massstäbe. Offernat sind das Synonym für einen Kessel an Kreativität, der unter Druck steht und pure Emotion speit.

Offernat bedeutet übersetzt Nacht des Opfers und es scheint, als befinden wir uns mittendrin. Der Mensch steuert seinem Tun seinem Untergang entgegen, All Colours Retract ist der perfekte Soundtrack dafür. Einerseits bieten die dystopen Songs Halt und folgen einer Struktur, andererseits offenbaren sie dem Hörer das Chaos, dem er gegenüber steht. Ein bisschen fühlt man sich wie der Krebs, der zu spät merkt, dass er selbst im kochenden Wasser schwimmt. 


Fazit
Unglaublich kreativ, voller Emotion und mit viel Mut sprengen Offernat mit All Colours Retract nicht nur Grenregrenzen, sondern ebenso so manche, verträumte Vorstellung von Natur und Mensch im Einklang. Wer einen vielschichtigen Soundtrack für sich und das Leben sucht, ist hier richtig. Von mir jedenfalls gibt es respektvolle 9 / 10 für dieses Vollzeitdebüt. 

Line Up
Anders Kargaard Bork – Gesang, Gitarren, Synth
Jonas Bangstrup – Gesang, Schlagzeug, Perkussion
William Frøland – Gesang, Bass, Flöte, Synth

Tracklist
01. Inside the Fog
02. The Winds
03. Harvest Return
04. Caught in Existence

Links
Facebook Offernat
Instagram Offernat
Bandcamp Offernat

 


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