Music Forge Festival – Sitzfestival Edition – 14.08.2020
Music Forge Festival – Sitzfestival Edition
Veranstaltung: 14./15.08.2020
Herkunft: Sportgelände Gambach / Hessen
Ticket: Festivalticket ab 35€ / Tagesticket ab 17€
Genre: Indierock / Stoner Rock / Post Rock / Metal / Blues Rock / Alternative Rock
Das mittelhessische Music Forge Festival startete erstmals 2018 nach dem Re-Start in eine Neuorientierung und hatte schon gleich im ersten Jahr mit den Widrigkeiten einer Open Air Veranstaltung zu kämpfen. Temperaturen von um die 40°C machten den Organisatoren vom MUSIC FORGE Kultur & Kunst e. V. und ihren Helfern den Aufbau nicht gerade einfach. Im folgenden Jahr führte ein Sturm über dem Gelände zum vorzeitigen Abbruch des ersten Festivalabends.
Aber gemeinsam mit den Bands schaffte es das Orga-Team, das Festival am zweiten Tag noch mit allen Bands über die Bühne zu bringen. Dachte jemand, für 2020 könnte es nicht mehr schlimmer kommen, den holten die aktuellen Geschehnisse mit dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie auf den harten Boden der Tatsachen zurück. Aber auch hier steckte das Forger-Team um den ersten Vorsitzenden Robin Jäger nicht auf. Es wurde ein strenges Hygiene-Konzept erarbeitet und gemeinsam mit den vielen regionalen Sponsoren und ehrenamtlichen Helfern erneut das Unmögliche möglich gemacht.
Nachdem 2019 zuletzt 1000 Zuschauer den Weg auf das Gambacher Sportgelände fanden, wurde der Platz für die diesjährige Veranstaltung in einzelne Parzellen unterteilt, auf dem sich mit den auf 250 limitierten und personalisierten Tickets die zugeordneten Gruppen mit den vorgeschriebenen Abständen und der Maskenpflicht auf dem Festivalgelände an zehn Bands in zwei Tagen erfreuen durften. Die höfliche und gut aufgestellte Security stand bei aufkommenden Fragen zudem immer mit Rat und Tat zur Seite.
Das mit Abstand größte kleine Festival der Welt
Doch auch dieses Jahr gab es nach den hochsommerlichen Temperaturen der letzten Tage kurz vor Beginn des ersten Festivaltages einen Wetterumschwung mit heftigen Niederschlägen und Sturm. Aber der Donnergott muss wohl doch ein Einsehen mit den Forgern gehabt haben, denn die meisten Unwetter zogen über den Main-Taunus-Kreis und sorgten dort für heftige Überschwemmungen. In Gambach waren die frühen Schauer ohne Folgen und so waren die gut 150 Zuschauer in bester Stimmung, als gegen 17:30 das Rodgauer Stoner-/Alternative-Rock Quartett Bird’s View ein kurzweiliges Set hinlegte. Obwohl die Band zunächst optisch wie eine Schülerband wirkte, machten ihre knackigen Songs, deren Höhepunkt die letzte Nummer Swimming Practice war, echt enorm viel Spaß.
Nach einer kurzen Umbaupause enterten die Frankfurter Rocker Firestorm die schöne Open Air Bühne auf dem Sportgelände, während sich die Sonne auch wieder zeigte. Die Optik der vier Mainstädter ließ schon auf eine metallischere Ausrichtung schließen und tatsächlich würde ich die Songs in Richtung Metal mit kleiner Hard Rock Kante einsortieren. Einflüsse von Airbourne, Metallica und eine Prise Motörhead kann ich Songs wie Headbanger (mit passenden Circle Pits um die in den Parzellen aufgestellten Tische und Bänke) attestieren. Ein donnerndes Drumsolo geht in den letzen Track Get Out Of My Way über, wo nochmals die Matten durchgeschüttelt werden konnten. Ein Kamerateam vom hessischen Rundfunk war auch vor Ort, den kurzen Bericht von HR3 könnt ihr HIER finden.
Bühne frei für die Lokalmatadoren
Moderator Theo kündigte mit seiner unnachahmlichen Music Forge Festival-Ansage den ersten lokalen Act ATRIO an, während sich der Platz langsam doch mit knapp 250 Leuten füllt. Dabei wurde auch noch einmal den vielen Sponsoren, Helfern und ortsansässigen Nachbarn (bis auf wohl Einen…) mit einer lautstarken Version von Thin Lizzy’s The Boys Are Back In Town aus der PA gedankt.
Das Frankfurt-Gießener Trio durfte ich schon ein paar mal live erleben, deshalb war ich sehr gespannt, wie sich die neuen Songs, die während der Bühnenzwangspause entstanden waren, ins bisherige Programm einfügen würden. Nahtlos kann ich sagen, wie der neue Opener Into The Run gleich einmal verdeutlichte. Zwischen den bewährten Groovern wie Relief bestand auch der nächste Frischling Three Out Of Four seine Feuertaufe. Der gefühlvolle, bluesige Mittelteil erzeugte bei mir jedenfalls trotz der Temperaturen eine ansehnliche Gänsehaut. Mein absoluter Favorit der Hessen ist allerdings immer noch der Titeltrack der aktuellen CD Blank, der in einer unfassbar geilen Performance ins Publikum gefeuert wurde. Da fiel es den meisten Anwesenden sichtlich schwer, auf ihren Plätzen zu bleiben. Danach folgten mit Can You Relate, Lost Again und Through The Desert drei kuscheligere Nummern, bevor mit The King der letzte neue Song seine Bühnenpremiere feierte. Die etwas verschachtelte, dynamische Rocknummer mit der typischen ATRIO Bluesnote klingt ebenfalls richtig fett. Den krachenden Abschluss des gut 45minütigen Sets bildete dann Pull The Trigger.
Eine Band auf dem Sprung zum Durchbruch
Der Zeitplan war straff und so mussten ATRIO leider ohne Zugabe die Bühne räumen, denn der Headliner des Abends bereitete sich akribisch und voll konzentriert auf seinen bevorstehenden Auftritt vor. Zwischendurch stellten die Wetterauer Afterhour Eierbagge ihren Podcast mit regionalem Infotainment vor, um die Pause zu verkürzen. April Art stehen für mich an der Schwelle zum Durchbruch. Die Band hat alles, was es dafür braucht: großartige Songs, gute Musiker, ein Frontfrau, die als Entertainerin und Sängerin begeistert, den nötigen Biss und ein Konzpet mit großem Wiedererkennungswert.
Mit dem Titeltrack zur aktuellen CD Rise And Fall enterten Lisa-Marie, Ben, Nico und Chris heiß wie Frittenfett die Bühne. Die Frontfrau war wie immer bestens aufgelegt und animierte die Leute zum Mittanzen. Das Energiebündel war ständig in Bewegung und kommunizierte unentwegt mit dem dankbaren Publikum. Aber auch der Rest der Band stand nur selten still und machte das Fotografieren für mich zu einer sportlichen Aufgabe.
Dabei brannten sie ein Feuerwerk aus ihren inzwischen bekannten Nummern Jealousie, From The Inside und You Want It All ab. Die fetten Riffs und treibenden Rhythmen hielten wirklich niemanden mehr auf seinem Sitz. Bassist Nico hatte außerdem Geburtstag und bekam vom mitunter weit gereisten Publikum ein Ständchen gesungen. Danach feierte auch bei April Art mit Breakout einen neuen Song, der komplett im Lockdown entstanden ist, seine Livepremiere. Die harte Nummer mit tiefen, wummernden Basslinien hat leichte Metalcore Attitüde, auch wenn elektronische Sampels und Mitsingparts die Nummer gut ins Ohr gehen lassen. Der Oldie Comeback und der bewährte Rausschmeißer Life In The Fast Lane beendeten das großartige Konzert der Gießener Band, wobei die Zeit mal wieder wie im Flug vergangen war.
Auch April Art war eine Zugabe nicht vergönnt, dafür dürften die Auflagen an das Festival zu streng gewesen sein, aber als Papa Roach’s Last Resort aus der Konserve tönte, feierte das zufriedene Publikum und die erleichterten Veranstalter einfach weiter. Auch ich musste feststellen: Scheiße, ich hätte beinahe vergessen, wie geil Livemusik ist!!!
Als Fazit kann ich nur sagen, wie sehr mich das kleine mittlelhessische Festival wieder beeindruckt hat. Ich wünsche den Forgern einen ebenso gelungenen zweiten Festivaltag am Samstag, wo mit Certain Skies, Einsneunzig, Bazu:ka, Shoreline, GoGo Gazelle und Elfmorgen ein weniger soundmagnetisches Billing für Unterhaltung sorgte.
Ich kann nur für den gemeinnützigen Verein MUSIC FORGE Kultur & Kunst e. V. hoffen, dass es im nächsten Jahr einfacher wird, aber der Spaß an dem Festival genauso groß bleibt wie bisher. Vielleicht sehen wir uns alle ja dann nächstes Jahr dort!
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