Long Distance Calling – Nachgefragt bei Janosch Rathmer – Interview

Am Freitag, den 26. Juni erschien das neue Album der Münsteraner progressiven Postrocker von Long Distance Calling. Da sie am 2. Juli zudem noch ein Autokino Konzert in Oberhausen geben, war die Zeit und Gelegenheit günstig, dem Schlagzeuger Janosch Rathmer ein paar Fragen zu stellen.


Ingo: Hallo Janosch, erst einmal danke für deine Zeit. Wie geht es dir bzw. euch? Seid ihr bislang gut durch die schwere Zeit gekommen?
Janosch: Ja natürlich, wir befinden uns ja noch mittendrin, und als Musiker sind wir ja auch maximal betroffen, in dem auch dass wir gerade eigentlich Festivals spielen würden und dass wir mit großen Schritten auf eine Tour im September zugehen, wo wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, dass sie stattfinden kann. Es kann von Vorteil sein, dass wir die Konzerte komplett bestuhlt spielen, das kann den Ausschlag geben. Aber bislang ist es halt so, dass wir zumindest bis Ende August unser Arbeit zumindest im musikalischen Bereich nicht nachgehen dürfen. Ich habe neulich so überlegt, wann der letzte Sommer war, auf dem ich auf keinen Festival präsent war, sowohl als Musiker als auch als Besucher, und dafür muss ich tatsächlich 21 Jahre zurückdenken. Die ganze Situation ist für uns alle doof, aber wir müssen sie zusammen durchstehen und hoffen, dass sich das Ganze irgendwann mal wieder lockert.

Ingo: Bevor ich zu eurem Autokino Konzert am 2. Juli im CentrO in Oberhausen komme, möchte ich zunächst einmal zu eurem neuen Album „How We Want To Live?“ kommen. Ich finds klasse, auch die Thematik über das Zusammenleben von Mensch und Maschine berührt mich, gefällt mir sehr und ihr seid ja von der Realität eingeholt worden. War die Produktion schon von Covid-19 beeinträchtigt oder beeinflusst?
Janosch: Also die Songs, die Produktion und das Cover stand schon vorher. Wir sind im Laufe der Produktion von der Realität eingeholt worden. Wir haben natürlich kein Album zur Pandemie geschrieben, aber wir haben ein Album geschrieben, was sich konzeptionell mit der Mensch-Maschine Thematik beschäftigt. Da sieht man natürlich gerade, dass wir, nicht nur seit Covid-19, in einem Prozess der Digitalisierung, der Verbreitung von Nachrichten durch die Digitalisierung stecken und so viele Krisen durch eine Technologisierung durchleben. Gerade Länder, die ihre Bevölkerung komplett überwacht haben, haben die größten Erfolge bei der Eindämmung der Pandemie erzielt. Dazu passt auch das Video zu unserem Song „Immunity“, zu dem wir die Community aufriefen, ihren persönlichen Beitrag in Form eines Videos zu schicken. Dort sieht man z.B. wie z.B. Roboter in manchen Ländern die Temperatur der Menschen messen oder Krankenhäser desinfizieren. Da sieht man sehr gut, wie weit wir technologisch fortgeschritten sind, und diese Chancen und Gefahren thematisieren wir auf „How We Want To Live?“ Die Platte war schon aufgenommen, der Mischprozess fand im Lockdown statt. Unser Mixing Engineer hat sich mehr oder weniger freiwillig in Quarantäne begeben, um sich nicht anzustecken und die Produktion zu gefährden. Schaut euch unbedingt das Video zu „Immunity“ an, da wird nochmal richtig bewusst, wie surreal die Situation an sich ist.

Ingo: das hattet ihr ja schon in Voices thematisiert. Der Roboter als der beste Freund den Menschen. Das geht ein bisschen in die Richtung von „Westworld“.
Janosch: Ja, absolut. das ist auch ein großartiges Video. Wir wussten natürlich, dass wir damit polarisieren. Das Video hat sehr viele Ebenen,  das Zusammenleben von Mensch und Maschine ist eine, und wir haben uns bewußt dafür entschieden, kein klassisches Bild von Mann und Frau zu zeichnen. Heutzutage sollte es keinen Unterschied mehr machen, ob ein Mann eine Frau oder ein Mann einen Mann liebt. Leider haben wir gerade da sehr unterschiedliche Reaktionen bekommen, dass Menschen sich durch solche Bilder gestört oder angeekelt fühlen, und da haben und wollten wir ein wichtiges Statement setzen. Je mehr sowas gezeigt wird, umso normaler wird es dann auch. Wir können und wollen mit dem „How Do We Want To Live?“ klar Stellung beziehen und Aussagen treffen, zu Themen wie Rassismus, Homophobie oder Xenophobie. Wir finden es wichtig, da aktuell auch die Stimme als Künstler zu nutzen, um auf diese Missstände aufmerksam zu machen.

Ingo: Ihr hattet keine Angst davor, so klar Stellung zu beziehen? Ihr steht ja etwas weiter in der Öffentlichkeit, und so manche Mitmenschen reagieren auf diese Art der Meinungsäußerung empfindlich.
Janosch: Das haben wir als Privatpersonen schon immer gemacht,  und gerade mit „How Do We Want To Live?“ fanden wir den passenden Rahmen, dieses auch als Band zu tun. Gerade weil es auch als „Film unserer Zeit“ konzipiert wurde.

Ingo: Ich finde, das Album klingt sehr typisch für euch. Gibt es etwas, was ihr im Vergleich zu Boundless oder den anderen Vorgängern anders gemacht habt?
Janosch: Boundless war ein sehr hartes Album, was so ein bischen unseren Rock und Metal Background wiederspiegelt. Da wir uns mittlerweile in unserem Musikgeschmack weiterentwickelt haben und uns nicht mehr auf Genres festlegen wollten, war uns klar, dass etwas mehr experimentieren möchten, und dass wir die Elektronik mehr in den Vordergrund gesetzt haben, ohne typische Trademarks zu vernachlässigen. Gerade die Elektronik passt auch hervorragend zur Thematik. Mehr Synthesizer, elektronische Beats sind auch zu hören. Es sollte sich aber dennoch natürlich, organisch und homogen anhören, die Elektronik ist sehr warm. ein kalter Industrialsound wäre sehr befremdlich gewesen.

Ingo: Dazu passt auch das Artwork, von der Farbgebung und Gestaltung her, finde ich.
Janosch: Das ist auch unser Anspruch, dass das Ganze auf allen Ebenen zusammenpasst und dass man ein großes Gesamtbild hat. Boundless und auf TRIPS klingen schon hervorragend, und wir wollten auf „How Do We Want To Live?“ noch diesen kleinen Schritt weiter gehen, und die neue Platte kommt dem, was wir an Anspruch an den eigenen Bandsound und den Sound einer Platte haben, schon sehr nahe. Der Mixing Prozess hat sehr lange gedauert, weil wir unglaublich tief ins Detail gegangen sind. Unser Mixing Engineer Arne Neurand hat wirklich großartige Arbeit geleistet.

Ingo: Ihr habt die Platte im gleichen Studio aufgenommen wie die Alben vorher?
Janosch: Nein, wir haben sowohl das Studio als auch den Produzenten gewechselt.  Das Schlagzeug haben wir in zwei Studios aufgenommen, einmal für groß klingende Schlagzeugsounds, zum anderen für elektronische, trockene LoFi ähnliche Sounds. Gemischt wurde das ganze im Horus Studio in Hannover. Gerade der Sound der großen Schlagzeuge habe ich bislang noch nicht so erleben dürfen, das kann schon mit dem Sound der großen Studios in den USA konkurrieren. In diesem großen Raum arbeiten zu können, war eine tolle Erfahrung, und das hört man natürlich auch an der Platte. Gitarre und Bass haben wir selbst in unserem eigenen Studio aufgenommen, da ist unser David schon recht fit. Gemischt haben dir das Album ohne Samples oder ähnliches, es wurde auch nichts ausgetauscht, es ist alles echt. Das ist etwas, was heutzutage nur noch sehr selten vorkommt, viele machen sich nicht mehr Arbeit so viel Zeit da hineinzustecken. Die Platte wurde analog am Mischpult gemischt und nicht wie heute oft üblich am Computer, so als Gegenstück zu der ganzen Elektronik, die auf der Platte präsent ist. Das war natürlich für uns selber, aber wenn man sich die Zeit nimmt und die Platte über Kopfhörer hört, kann man sehr, sehr viel entdecken.

Ingo: Seid ihr als Fans von analogem Sound auch Fans von Vinyl?

Janosch: Also ich schon, auf jeden Fall. Wobei, wenn du mich fragst, worüber ich am meisten Musik höre, antworte ich klar Spotify. Das hat sich so eingebürgert, es ist bequem und man muss keine große Sammlung mit sich rumschleppen. Ich habe noch eine große Vinylsammlung, ich kaufe auch noch Vinyl, es kommt aber durchaus vor, dass Platten lange Zeit eingeschweißt noch steht und eher ein Sammlerobjekt ist. Ich höre am liebsten über Kopfhörer Musik, und da ist das Medium meiner Wahl klar Vinyl. Es wird von „How Do We Want To Live?“ eine echt tolle Vinylbox geben, mit vielen Gimmicks und einigen Remixes, die es nur exklusiv in der Box geben wird. Für die Vinylfans haben wir auf jeden Fall etwas schönes in petto.

Ingo: Plant ihr auch einen 5.1 Mix der Platte?
Janosch: Nein, eher nicht. Mir persönlich gibt das bei Musik nichts, bei Filmen oder auf Liveplatten wie der STUMMFILM kann ich das verstehen, aber dadurch dass ich Musik meist über Kopfhörer höre, ergibt sich da schon von alleine ein räumliches Hören.

Ingo: Das ist absolut nachvollziehbar. Die beste Möglichkeit Musik im Raumklang wahrzunehmen ist ja sowieso der Livekontext, und ich hoffe für euch, dass die Konzerte im Herbst wirklich stattfinden können. Als erstes habt ihr aber nun die Autokino Show auf dem CentrO Parkplatz in Oberhausen am 2. Juli. Habt ihr bestimmte Erwartungen an den Abend?
Janosch: Nein, eigentlich nicht. Ich muss ehrlich gestehen, mich haben diese Autokinostreams, die ich bislang so gesehen habe, überhaupt nicht überzeugt, die fand ich total nicht geil. Ich glaube aber, dass das bei uns anders sein wird, unsere neue Platte klingt sehr cineastisch und wir arbeiten mit vielen Visuals, das geht sicher gut auf. Es ist sicher für die Leute, die Konzerte genau so vermissen wie wir auch, eine schöne Möglichkeit sich ein Konzert anzuschauen. Allerdings muss man schon sagen, dass ein Autokinokonzert ganz anders ist als ein normales Konzert, denn du bist davon abhängig, wie gut deine Anlage im Auto ist. Der eine wird sagen, das war ein tolles Konzert mit einem wahnsinnig guten Klang, der andere wird sagen, das klang vielleicht scheisse. Das können wir noch nicht einmal beeinflußen. Es macht daher schon Sinn, sich zu überlegen, mit welchem Fahrzeug und welcher Anlage man angerollt kommt. Ich glaube schon, dass es eine besondere Erfahrung sein kann, ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es die Zukunft der Konzerte sein kann.

Ingo: Also mehr eine Notlösung, ein Behelf für diese Zeit?
Janosch: Keine Notlösung, eher eine besondere Möglichkeit in dieser Zeit den Menschen ein Konzert zu bieten. Es ist absolut mit unserem Konzept vereinbar, bei Hip Hop oder Punk Bands, wo die Menschen vor der Bühne tanzen und feiern und das auch elementarer Teil der Show ist, ist diese Art von Konzert schon schwieriger Als Versuch, den wir hoffentlich mit ganz vielen Leuten teilen dürfen, finde ich es vollkommen legitim. Es wird für uns sicher auch komisch werden, man sieht die Leute nicht, es fehlt der Applaus oder die Interaktion des Publikums, man sieht nur die Autos. Ich schaue den Leuten gerne ins Gesicht und sehe, was die Musik gerade mit jemandem macht. Aber wir sind total gespannt, freuen uns darauf und hoffen, dass es angenommen wird.

Ingo: Und was dürfen die Fans erwarten?
Janosch: Natürlich dürfen die Fans erwarten, dass sie zum ersten Mal die neuen Songs wirklich live vor Ort hören können. Und natürlich die ganzen Visuals, die Videos, und das ganze dann live präsentiert, darauf freuen wir uns. Und ich glaube auch, dass die Leute darauf Bock haben. Wir haben ale Möglichkeiten, so eine Kinoshow zu spielen und werde uns Mühe geben, dass die Leute einen besonderen Abend haben werden und der Konzerthunger ein bischen gestillt wird.

Ingo: Wenn die Show ein Erfolg wird, werdet ihr dann mehr Konzerte in diesem Rahmen machen?
Janosch: Das wissen wir noch nicht. Was wir ausschließen können, ist dass wir danach eine ganze Reihe von solchen Konzerten geben werden. Das ist auch von der Nachfrage her schwierig, die Vorverkaufszahlen und Verkäufe bezüglich der Autokinosache sind momentan stark rückläufig. Das liegt auch oft daran, dass Bands diese Art von Konzerten gemacht haben, wo es einfach nicht passt, und wenn du einmal so einen Act gesehen hast, wo dich das nicht gepackt hat, bist du da vorsichtiger und wartest, bist du sie richtig sehen kannst.

Ingo: Letztendlich bezahlen die Leute ja auch Geld dafür.
Janosch: Genau, und es ist auch unser Anspruch, dass die Leute für das Geld was sie bezahlen, auch ein möglichst perfektes Konzert bekommen.

Ingo: Im Herbst geht ihr dann ja auf reguläre Tour, davon gehen wir jetzt erstmal aus. Wird sich vom Rahmen her etwas zu der letztjährigen Seats&Sounds Tour ändern, wird es vergleichbar sein? Abgesehen natürlich davon, dass ihr die neue Platte spielt?
Janosch: Im Prinzip schon. Wir werden ein neues Lichtkonzept haben, wir werden neue Visuals haben und die ganze Show einfach noch ein bischen pimpen. Wir haben wahnsinnig tolle Locations dabei, das wird für jeden der die Shows besucht hoffentlich ein einmaliges und denkwürdiges Erlebnis. Live darf man sich auf Surround Sound freuen, den hatten wir auch schon beim letzen Mal. Es wird wieder eine Mischung aus Konzert, Theater und Kinoerlebnis. Wir versuchen es für unsere Verhältnisse es auf das nächste Level zu bringen. Das ist beim letzten Mal schon total aufgegangen, und ich hoffe, dass wir es jetzt nochmal auf die Bühne bringen dürfen. Das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. In den anderen Ländern ist man von den Einschränkungen her sehr viel lockerer und man wird sicher darauf schauen, wie es sich dort verhält. Wovon wir uns allerdings gedanklich verabschieden sollten, sind Konzerte ohne Auflagen. Eine Maske zu tragen wird wohl zumindest teilweise Pflicht, und man wird auch nachvollziehen wollen, wer auf welchem Platz gesessen hat und so weiter. Da kommt auf uns und auf die Veranstalter noch eine Menge Arbeit zu und wir sind auch bereit maximal Kompromisse einzugehen. Wenn wir zwei Shows an einem Tag spielen müssen, weil es anders nicht möglich ist, dann spielen wir eben zwei Shows an einem Tag. Das bedeutet für uns doppelte Arbeit fürs gleiche Geld, aber das ist uns egal, wir wollen die Platte präsentieren. Wir wollen, dass die Leute eine gute Zeit haben und werden alles dafür tun, damit das möglich ist.
(Anmerkung der Redaktion: Zwischen Interview und Veröffentlichung wurden die hier angesprochenen Konzerte von herbst 20 auf Frühjahr 21 verlegt.)

Ingo: Wie kommt ihr in anderen Ländern an? Kommen eure Shows da gleich gut an, oder gibt es da unterschiedliche Reaktionen vom Publikum her?
Janosch: Teilweise ist das schon anders, in der Ukraine z.B. haben die Leute teilweise die Instrumentals von vorne bis hinten mitgesungen. Teilweise war es bei den Seats&Sounds Shows so leise, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte. Als Band merkt man schon sehr, sehr gut, ob den Leuten etwas gefällt und zwar unabhängig davon, ob die Menschen vor der Bühne am Tanzen und am Ausrasten sind oder einfach dort sitzen, keinen Ton sagen und vielleicht einfach nur auf die Bühne gucken. Es hat alles seine guten Seiten, hauptsache einfach wieder live spielen.

Ingo: Stille zelebrieren, das war auch das Thema bei eurem letztjährigen Golden Silence Festival. Wie sind eure Erfahrungen, ist das für euch im Nachhinein gut gelaufen?
Janosch: Das ist immer schwierig. Hätten wir es Long Distance Calling Festival oder Show genannt, wären sehr viel mehr Leute gekommen. Bei einem neuen Label, einer neuen Bezeichnung, etwas was die Leute nicht kennen, da sind sie etwas vorsichtig. Es wird in diesem Jahr ganz sicher keine zweite Edition geben, aus Gründen, die aktuell wohl jeder nachvollziehen kann. Das wäre momentan einfach Harakiri, so etwas für den Herbst zu planen. Wir sind immer auf der Suche neue Sachen zu probieren. Ich habe mit Jan aktuell einen Podcast gestartet, „Lachend in die Kreissäge“, wo wir über die Vergangenheit, auch der Band, gesprochen haben und wo wir in Zukunft auch mit verschiedenen Gästen etwas machen werden. Das Festival war aber eine coole Erfahrung und wir schauen, wie wir darauf aufbauen werden.

Ingo: Für mich klingt das ein bisschen so, als wenn es auch unabhängig von Covid-19 keine Neuauflage gegeben hätte, höre ich das richtig heraus?
Janosch: Wir waren schon in den Überlegungen, ob wir sowas noch mal machen. Man darf ja jetzt nicht nach einem Mal den Kopf in den Sand stecken. Wir waren aber auch so mit der Platte beschäftigt, dass wir da erstmal nicht drin waren und als es dann Überlegungen gegeben hätte, da war es dann schon so weit. Irgendwie ist es dieses Mal nicht dazu gekommen. Mal schauen, was die Zukunft so bringt.

Ingo: Im nächsten Jahr habt ihr ja euer 15jähriges Bandjubiläum. Habt ihr etwas zu diesem Anlass vor, ist irgendetwas in Planung?
Janosch: Auf jeden Fall werden wir was machen, aber momentan kann man einfach nichts planen. Wer weiß, ob wir die Tour vom September ins nächste Jahr schieben müssen, wer weiß ob nächstes Jahr eine zweite, dritte, vierte Welle kommt, wer weiß, ob es nächstes Jahr Festivals gibt. Wir müssen da von Tag zu Tag schauen, das hat mich die Zeit gelehrt. Ich finde es ganz schlimm, ich weiß gerne was in zwei, drei Monaten passiert und ich bin auch ein sehr ungeduldiger Mensch, daher ist es für mich aktuell sehr schwierig. Vielleicht lehrt mich die aktuelle Situation ein bischen, geduldiger zu sein. Pläne schmieden ist momentan halt schwierig, wir haben viele Ideen, was man im Falle des Falles machen könnte, aber es ist noch nichts spruchreif.

Ingo: Die Unplanbarkeit macht gerade der Kulturbranche schwer zu schaffen.
Janosch: Ich wüsste nicht, welche Branche momentan mehr darunter leidet. Vielleicht noch die Gastronomen, wobei die ja so langsam wieder arbeiten dürfen, auch wenn sie neue Konzepte realisieren und umplanen müssen. Die Kulturbranche liegt ja aktuell mehr oder weniger auf Eis.

Ingo: Gerade für Musiker, die ihre Einnahmen durch Livekonzerte generieren und weniger durch Plattenverkäufe ist das schon schwer.
Janosch: An CD- und Plattenverkäufen verdienen wir nahezu nichts, das muss man so sagen. Aber ich finde es natürlich toll, wenn die Leute die Platten kaufen, und sie bekommen ja auch etwas für ihr Geld. Wenn jemand sagt, wir können wir euch unterstützen, dann sollen sie natürlich die Platten kaufen.

Ingo: Habt ihr euch schon Gedanken darüber gemacht, ob die nächste Platte nochmal in die gleiche Richtung gehen wird? Du hast sie ja selbst als Prozess der Reife bezeichnet, vielleicht habt ihr da schon ein Gefühl für?
Janosch: Noch nicht, nein. Wir stecken ja noch mitten in der aktuellen Platte. Die kommt sehr gut an, es ist ja unsere unrockigste und softeste Platte, sie war in vielen Magazinen Platte des Monats. Mal schauen, wo wir am Ende stehen. Die How We Want To Live? war ein Haufen Arbeit, wir haben uns alle in der letzten Zeit, bedingt durch die Situation, kaum gesehen. Wir sind einfach froh, wenn sie nächste Woche rauskommt.

Ingo: Ich hoffe, mein Exemplar des Albums dann auch bald in den Händen halten zu können. Gibt es noch etwas, was du uns mitteilen, mit auf den Weg geben möchtest?
Janosch: Erstmal heißt es gesund zu bleiben. Was wichtig ist, dass jeder guckt, dass er für sich etwas aus dieser Zeit mitnimmt, was daraus lernt und versucht, Dinge besser zu machen und vor seiner eigenen Tür ein bisschen kehrt. Es gibt so viele Dinge, die gerade scheisse laufen, da kann man vieles besser machen. Ich hoffe, dass wir das für uns so ein bisschen schaffen.

Ingo: Danke für deine Zeit und alles Gute!


Links
Facebook Long Distance Calling
Review zu How We Want To Live?
Tickets Autokonzert Arena Oberhausen, 02.07.20

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