Lindemann – F&M – Polarisierend – Plus/Minus Review
Lindemann – F&M
Herkunft: Deutschland/Schweden
Release: 22.11.2019
Label: Universal Music/Vertigo
Dauer: 50:11 (Special Edition)
Genre: Industrial/Modern Metal
Review Michael:
Da ist es nun, das zweite Album von Rammstein Fronter Till Lindemann und Peter Tägtgren, dem schwedischen Multiinstrumentalisten, Produzenten und Kopf der Death Metal Band Hypocrisy und den elektronischer ausgerichteten Industrial Rockern Pain. Setzte man auf dem Debüt Skills in Pills (2015) noch auf ausschließlich englische Lyrics, die für mich persönlich schon bei Rammstein nicht wirklich funktionierten (Amerika, Pussy), greift der Brachialpoet auf F & M (Frau & Mann) wieder auf seine Muttersprache zurück. Das ist für mich ein ganz großer Pluspunkt, denn so treffen Tills provokante, eindeutig zweideutige Texte ihr Ziel am Besten. Mit Mathematik gab das Duo Infernale zwar Ende 2018 eine erste zweifelhafte Kostprobe ab (in Kollaboration mit dem Deutschrapper Haftbefehl), aber zum Glück ist F & M deutlich subtiler ausgefallen. Zwar hat man sich dadurch Rammstein sehr genähert (Steh auf oder auch Ich weiss es nicht), die elektronischen, geradezu tanzbaren Popsequenzen (Platz Eins) hätten sich auf einem Album der Berliner Chartbreaker auch gut gemacht. Mir gefallen ja Lindemanns teilweise bizarren Beobachtungen und Abartigkeiten unserer Gesellschaft auf Stücken wie Allesfresser, Frau & Mann und Gummi ohnehin sehr gut. Die derben lyrischen Auseinandersetzungen mit Sex und Fetisch dürfen auf einem Lindemann Album natürlich auch nicht fehlen. So hat das (unzensierte) Video zu Knebel wieder einmal für medialen Rummel gesorgt. Dazwischen wirkt die schön orchestrierte poetische Nummer Schlaf ein fast ein wenig befremdlich. Musikalisch möchte ich das sich bedrohlich aufbauende Blut, die beschwingte Anarcho-Pop Nummer Frau & Mann , den zweideutigen Chanson im flotten Tangorhythmus Ach so gern (gibt es auf der Special Edition und auf Vinyl als Bonus in einer elektronischeren Pain Version) und die hinreißende Pianonummer Wer weiß das schon (auch lyrisch ein Lindemann Meisterwerk) als Anspieltipps hervorheben.
Mein Fazit:
Insgesammt bewegt sich das Projekt Lindemann meistens in der Komfortzone beider Protagonisten, lediglich Mathematik ist ein Ausreißer, aber musikalisch kein schlechter neuer Ansatz. Nur will mit Tills harter Aussprache bei den gerappten Passagen einfach kein Flow entstehen. Den grottigen Text dazu vergesse ich jetzt mal, zumal er es ja auch nur als Bonus auf das Album geschafft hat. Ansonsten bietet F & M eine Reihe erstklassiger Nummern, die vor allem Rammstein-Fans feiern dürften. Ich sehe auch qualitativ keine Mängel im Vergleich zum letzten Album der Berliner Megaseller und kann daher guten Gewissens 9/10 Punkte für Lindemann als Bewertung hinterlegen.
Review Adriana:
Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben und wenn wir schon bei den Weisheiten sind: Man sehe ein Album immer auch aus einer zweiten Perspektive an und mit einer 9/10 kann ich mich hier mal so gar nicht anfreunden!
Los geht das Album mit dem Song Steh auf. Dieser wurde uns ja bereits Mitte September präsentiert und brettert mal eben so brachial drauf los. Soweit so gut, neu ist das Konzept hier nun aber nicht und wenn sich das gesamte Album so entwickelt, wird es n mittelmäßiges Zwischendurch Album. Putzig irgendwie mit den Streichern, die Lindemanns so markant „rammsteinige“ Stimme etwas weniger rauh wirken lassen. Das Video ungewohnt bunt, aber immerhin bin ich schon mal froh, dass hier nur muttersprachlich deutsch gesungen wird. Das steht Herrn Lindemann, den ich übrigens als überaus charmanten und charismatischen Sänger, Mann und Mensch erachte, sehr. Weiter gehts mit Ich weiß es nicht und Allesfresser, die sich zusammen mit Blut genauso gut auf einem Rammstein Album gemacht hätten. Manch aufmerksamer Leser erkennt bereits die Tendenz und kann vielleicht hier schon nachvollziehen, weshalb meine Bewertung eher mau ausfallen wird. Knebel hat mich zumindest mal aufgeweckt! Da tölpelt der Song die ersten zwei Drittel so gemächlich dahin und verströmt beinahe schon Lindemann Kuschelstimmung, bevor er dann mal so richtig eskaliert! Okay, das ist mal so n richtiges Feuerwerk mit Überraschungseffekt, doch neu ist das auch nicht, dass so n Twist Plot eingebaut wird. Zugegebernemaßen hat das Album auch Highlights. Für mich ist dies F & M. Es kommt orchestral und am eigenständigsten rüber. Weder ein Rammstein Song in Pain Manier noch ein Pain Song mit Rammstein Gesang. Als nächstes folgt das als Tango getarnte Ach so gern, das des Tangos wegen ansprechend ist. Und dann passiert es schon wieder: Schlaf ein…könnte genau so auf jedem Rammstein Album zu hören sein und ich denke ihr wisst, wie sich dieser Song anhört ohne ihn hören zu müssen. Etwas überrascht bin ich von Gummi, durfte da doch wirklich ein Pain Song mit Lindemann Gesang aufs Album…Diese Symbiose scheint ganz gut zu funktionieren. Platz eins und Wer weiss das schon bilden die Schlusslichter in einordnender Manier und ebnen den Weg für die beiden Bonus Songs Mathematik, über das ich mich nicht so richtig mitteilen möchte und Ach so gern in Pain Version.
Mein Fazit:
Lindemann sind Vollblutmusiker und kreative Köpfe, denen musikalisch niemand mehr so schnell was beibringen kann; das steht außer Frage. Doch genau das ist es, womit ich bei diesem Album hadere. Es brettert zumeist in Rammstein Manier aus dem Lautsprecher, untermalt von Synth Streichern und etlichen weiteren atmosphärischen Elementen, die aus Pains Kinderschuhen gewachsen zu sein scheinen; alles schön kommerziell natürlich. So richtig kreativ und neu ist das alles leider nicht und ich kann mich nicht weiter dafür erwärmen. Live wird dieses Album vermutlich den Zuhörern den Arsch versohlen und jeden Anwesenden mitreißen. Doch aus der Buchse bekommt es von mir lediglich 3.5/10.
Line up:
Till Lindemann – Gesang
Peter Tägtgren – alle Instrumente (ohne Ach so gern)
Jonas Kjellgren – alle Instrumente in Ach so gern:
Tracklist:
1. Steh auf
2. Ich weiß es nicht
3. Allesfresser
4. Blut
5. Knebel
6. Frau & Mann
7. Ach so gern
8. Schlaf ein
9. Gummi
10. Platz eins
11. Wer weiss das schon
Bonus
12. Mathematik (Original Version)
13. Ach so gern (Pain Version)
Links:
Facebook Lindemann
Das Album auf YouTube