Jeff Scott Soto – Nachgefragt bei Jeff Scott Soto – Interview

Jeff Scott Soto gehört seit Jahrzehnten zu den gefragtesten Sängern in der Rock-Branche. Seit er Anfang der 1980er auf Ingwie Malmsteen’s Rising Force Album seine ersten Lorbeeren verdiente, war der talentierte Sänger mit der ausdrucksstarken Stimme an vielen Projekten beteiligt. Außerdem hat er etliche Soloalben aufgenommen. Dabei segelt er unter zwei verschiedenen Flaggen. Zum einen mit S.O.T.O., wo im letzten Jahr mit Origami ein abwechslungsreiches Album erschienen ist, und als Jeff Scott Soto – kurz JSS -, wo er für das italienische Frontiers Music Label regelmäßig Alben veröffentlicht und seine Vorliebe für Melodic Rock und AOR pflegen kann. Jüngster Release hierfür ist das siebte Album für JSS Wide Awake (In my Dreamland). Mein Review zum Album findst du HIER. Eine gute Gelegenheit, um mit Jeff ein Interview zum Album und der aktuellen Lage zu führen:

The original interview in english can be found HERE.


Foto Credit: Lexie Boezemann Cataldo – In Joy Photography

Michael (Soundmagnet.eu): Covid-19 hat die Welt fest im Griff. Hatte sich dadurch für dich etwas an der Vorgehensweise zu den Aufnahme von Wide Awake (In My Dreamland) verändert?
Jeff: Nicht wirklich, wir haben im Dezember 2019 und im Januar 2020 mit dem Schreiben und den Aufnahmen zum Album begonnen. Ursprünglich sollte es Mitte des Jahres erscheinen, aber es war sogar hilfreich für mich, dass es auf November verschoben wurde, da ich sonst ziemlich unter Druck gestanden hätte, meinen Gesang für den ersten Termin fertigzustellen.

Michael: Bevorzugst du diese Arbeitsweise, Songvorschläge zu bekommen, für die du Gesangsmelodien und Texte in Ruhe in deinem Studio ausarbeiten kannst?
Jeff: Absolut, ich bevorzuge den Luxus, Dinge für mich auszuarbeiten, Dinge auszuprobieren und, was noch wichtiger ist, niemanden dabei zuhören zu lassen, wenn ich den Song zum ersten Mal auspacke… einige der Ideen klingen wirklich lustig, wenn man sie in einem Raum ohne Musik hört.

Michael: Ist Wide Awake (In my Dreamland) deine erste Zusammenarbeit mit Alessandro Del Vecchio?
Jeff: Ja, sozusagen… Ich traf Alessandro 2005 auf einer Tournee mit der JSS-Band, Marcel Jacob von Talisman hat sein erstes Album für die Band Edge Of Forever produziert. Sie fragten mich, da ich frei hatte, ob ich kommen und ein paar  Backing Vocals für sie singen könnte. Als Steve Perry kürzlich sein letztes Soloalbum veröffentlichte, sangen Ale und ich gemeinsam einen Perry-Solosong als „Willkommen zurück, Steve“. Jetzt arbeiten wir an vielen Dingen zusammen, darunter an einem neuen Projekt namens SPEKTRA, an dem auch zwei meiner Jungs von der Band S.O.T.O. beteiligt sind.

Michael: Möchtest du gerne mal wieder regelmäßig mit einer Band im Proberaum jammen und gemeinsam an Songs arbeiten?
Jeff: Nein, ich bin erst kreativ, wenn ich sozusagen die volle Leinwand zum Ausmalen habe. Ich habe das Gefühl, dass ich mehr im Weg bin, wenn die Musik geschrieben wird. Sehr selten frage ich nach oder muss Dinge in einem fertigen Song ändern, damit ich ihn fertigstellen kann. Ich ziehe es vor, das Musikstück auf mich wirken zu lassen wie es ist und es zu bearbeiten, dass es quasi unverändert bleibt.

Michael: Wide Awake (In my Dreamland) ist sehr melodisch, hat aber auch einige starke Rockgitarren. Für mich ist das Album das Bindeglied zwischen deinem Soloprojekt S.O.T.O. und W.E.T. Wie siehst du das?
Jeff: S.O.T.O. ist viel heavier und zeitgemäßer als JSS oder W.E.T.;  S.O.T.O. lässt mich meine Flügel ausbreiten und insgesamt etwas anderes ausprobieren. JSS-Alben sind wirklich eine Möglichkeit für mich, all meine musikalischen Interessen zu erkunden, und W.E.T. ist für mich im Grunde ein Ersatz für Talisman.

Michael: Ich habe gelesen, dass du inzwischen auf über 85 Veröffentlichungen zu hören bist. Wie viele davon stehen bei dir zu Hause im Regal?
Jeff: Ich habe ein Bücherregal mit 4 Reihen, die allein all den Alben gewidmet sind, auf denen ich gesungen habe. So viele besitze ich auf jeden Fall. Zu den über 85 Alben, auf denen ich als Leadsänger gesungen habe, habe ich noch 100 oder mehr, auf denen ich Backing Vocals singe. Es ist ziemlich verrückt, ich wünschte, mein Bankkonto würde die Arbeit, die ich geleistet habe, wiederspiegeln, hahaha.

Michael: Welche Art von Musik hörst zu Hause oder wenn du mit deinem Auto unterwegs bist?
Jeff: Um ehrlich zu sein, höre ich selten etwas anderes als das, woran ich gerade arbeite, denn ich arbeite immer schon an der nächsten Aufgabe, während ich eine fertigstelle. Es fällt mir schwer, mich auf meine eigenen Dinge zu konzentrieren, wenn ich anderen zuhöre, aber ich höre auch lieber Hörbücher oder Radio, zum Beispiel Howard Stern, um eine Pause von zu viel Musik einzulegen – haha.

Michael: Möchten du mal wieder ein richtig traditionelles Heavy Metal-Album im Stil von Iron Maiden oder Judas Priest einsingen?
Jeff: Eigentlich nicht, ich habe meine Möglichkeiten wie S.O.T.O. und Sons Of Apollo, die es mir erlauben, die härtere Ausrichtung in meiner Karriere zu bedienen. Ich habe also kein zusätzliches Interesse daran, ein Genre oder einen Stil zu singen, der nach einem klassischen Metal Sänger verlangt. Dafür gibt es schon ausreichend gute Sänger.

Michael: Oder vielleicht auf einem Album zu singen, das überhaupt nichts mit dem Rock-Genre zu tun hat?
Jeff: Ich habe VIELE Alben, Aufnahmen und Sessions außerhalb des Rock-Genres gemacht, VIELE! Selbst mein Solo-Album Beautiful Mess, ist überhaupt nicht Hard Rock, sondern eher Soul/R&B/Groove/Funk Rock.

Michael: Wie schätzt Du die Möglichkeiten ein, in naher Zukunft wieder auf der Bühne stehen zu können?
Jeff: Ich habe keine Ahnung. Weder ich noch irgend jemand auf der Welt konnte vorhersagen, dass es länger als einen Monat dauern würde. Wenn ich jetzt höre, es kann noch ein weiteres Jahr oder länger dauern, möchte ich nicht mehr Raten oder Vorhersagen. Ich werde warten wie alle anderen.

Michael: Liebst du es immer noch, auf der Bühne zu stehen und auf Tournee zu sein?
Jeff: Ich lebe dafür, aber es erfüllt mich nicht, Live-Streams oder Drive In Shows zu machen. Ich brauche Leute, ich brauche die Verbindung, ich muss mit einem Publikum singen und lachen… Ich habe KEINE Eile, unter den aktuellen Umständen und Vorschriften live aufzutreten. Wie ich schon sagte, ich werde warten, bis das Wasser sicher ist, um wieder schwimmen zu gehen!

Michael: Eine politische Frage zum Schluss, wenn du mir erlaubst. Was wünscht du für dein Land, nach dem jetzt die Präsidentschaftswahl stattgefunden haben?
Jeff: Ich werde nicht weiter auf dieses Thema eingehen, außer, dass ich an Respekt, Wissenschaft und den gesunden Menschenverstand glaube. Damit solltest du erkennen, wo ich politisch stehe.

Michael: Die letzten Worte in diesem Interview gehören dir.
Jeff: Ich vermisse euch alle, ich vermisse euer Land und euren Enthusiasmus für Live-Musik. Bleibt bitte alle gesund, denn ich kann es kaum erwarten, bis wir uns wiedersehen!

Vielen Dank für deine Zeit, Jeff. Wir wünschen dir ebenfalls, das du diese für euch Künstler schwierige Zeit gesund und unbeschadet überstehst und wir dich bald wieder auf den Bühnen dieser Welt singen hören können.


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