Fireforce – Nachgefragt bei Erwin Suetens – Interview

Fireforce stehen seit 2008 für Power Metal mit historischen Texten, ihr neuestes Album Rage Of War ist da keine Ausnahme. Gitarrist und Mastermind Erwin Suetens hat uns einige Fragen zum Album beantwortet und schildert uns einige sehr spannende, historische Ereignisse.

The original interview in English can be found HERE.


Fireforce-Rage of War-ArtworkMarkus (Soundmagnet): Hallo und danke für das Interview. Euer viertes Album Rage of War ist voller historischer Referenzen und Ereignisse, vor allem singt ihr über Kriege. Warum habt ihr diesen Ansatz gewählt und was wollt ihr damit vermitteln?
Erwin (Fireforce): Nun, ich bin ein Geschichts-Nerd. Hinter jeder Ecke finde ich etwas historisch Interessantes. Als kleines Kind nahm mich mein verstorbener Vater immer mit in alle möglichen Museen, und er hatte eine ganze Bibliothek mit Hunderten von Büchern über Geschichte. Dort konnte man mich immer wieder finden. Wenn wir nicht aus der Geschichte lernen, werden die gleichen Fehler immer und immer wieder gemacht werden. Ich denke, Stories von Individuen, die im Alleingang die Geschichte verändert haben, sind sehr interessant.
Manchmal veränderten ihre großen Taten den Ausgang einer Schlacht, während andere etwas Dummes taten und vergessen wurden. Geschichten wie diese faszinieren mich. Dann gibt es die Unbarmherzigkeit und Grausamkeit, wie manche Führer ihr Volk behandeln… Viele Menschen auf der Welt müssen auch heute noch Tyrannei ertragen.
Jetzt schaue ich überall, wo ich hingehe, auch mit der Band, ob es in der Umgebung unserer Reise oder den Städten, an denen wir vorbeikommen, etwas Interessantes zu sehen gibt. Das kann eine Festung sein, ein paar Bunker, ein Museum oder ein altes Schlachtfeld. Manchmal fühle ich mich wie General Patton, der über alte Schlachtfelder starrt, haha!
Zum Beispiel der Song 108-118, er handelt von der Kursk, einem Atom-U-Boot. 108 Meter tief, 118 Menschenleben verloren. Es hätte weniger sein können, wenn die Sowjets Hilfe von anderen Ländern zugelassen hätten, aber das haben sie nicht…
Oder A Price To Pay – das Lied bezieht sich auf einen Tweet von einer Person (POTUS), die wir alle kennen, als Reaktion auf einen so genannten chemischen Angriff… Die Leute, die schuldig sind, müssen einen Preis dafür zahlen, und später werden *sie* sagen „sie werden einen Preis dafür zahlen“… und so weiter… Auf diese Weise wird es nie aufhören. Es wird immer einen Preis geben, den jemand bezahlen muss…
Running handelt von Zulu-Kriegern, die sehr lange Strecken laufen konnten und immer noch genug Energie übrig hatten, um ihre Feinde anzugreifen, wenn sie ankamen. Unglaublich… Wenn ihr neugierig auf die anderen Songs seid: Lest die Texte bei den Alben! Haha!
Und nein, nicht alle meine Songs handeln von Krieg und Schlacht. Auf dem ersten Album March On war ein Song über Kindesmissbrauch. Aber auch da geht es um Angst, Grausamkeit und Wut. Das ist auch eine Art von Krieg…

Combat Metal

Markus: Wenn man an Power/Heavy Metal Bands mit historischen Texten denkt, kommen einem sofort Sabaton und Civil War in den Sinn. Allerdings ist euer Sound meiner Meinung nach geradliniger und heavier. Was sind eure größten Einflüsse und wie würdet ihr eure Musik beschreiben?
Erwin: Combat Metal… Es ist eine Kombination aus Thrash und Power Metal, und am Anfang haben wir es nicht so genannt. Erst nachdem ein Magazin über unser Album March On schrieb: „Wenn es jemals ein Genre geben wird, das Combat Metal genannt wird, würden Fireforce es anführen!“, hatte ich die Idee, einen Song namens Combat Metal zu schreiben. Von diesem Moment an war unser Genre geschaffen, haha!
Unsere Einflüsse kommen aus mehreren Richtungen. Ich bin ein Oldschool-Typ und liebe etwa die NWOBHM sehr, aber auch Thrash, zum Beispiel Testament und Exodus . Mein Favorit ist Metal Church. Matt (Gitarre/Gesang) ist ein junger Typ mit einer alten Seele. Er steht auf eine breite Palette von Einflüssen, von Michael Schenker bis Arch Enemy. Christophe (Schlagzeug) steht auf viele Oldschool-Bands, aber auch auf die modernen Bands, und Serge (Bass) auch.
Wir alle sind ein Teil des Puzzles, das den Klang von Fireforce ausmacht.

Panzer vs. Lanzenreiter

Markus: Der Song Firepanzer handelt von der polnischen Kavallerie, die die deutschen Panzer im Zweiten Weltkrieg angegriffen hat. Kannst du uns mehr Informationen darüber geben, was passiert ist und warum ihr euch dazu entschieden habt, über dieses Ereignis zu singen?
Erwin: Das Lied ist eine Kreuzung aus Realität und Fiktion. Er handelt von den ersten Tagen im September 1939 in Polen. Mit Lanzen bewaffnete, polnische Reiter griffen deutsche Panzer an und wurden dezimiert. Zumindest ist das die Geschichte.
In Wirklichkeit griffen die Lanzenreiter deutsche Infanterie an, die nur mit leichten Waffen bewaffnet war, und schlachteten diese ab. Die Lanzenreiter trugen nicht nur Lanzen, sondern auch Maschinengewehre, Gewehre und sogar Panzerabwehrgewehre. Nach diesem Angriff kamen zwei deutsche Panzerspähwagen mit lodernden Maschinengewehren aus dem Gebüsch. In diesem Moment wurden die polnischen Lanzenreiter niedergemetzelt.
Beide Seiten nutzten es als Propaganda. Die Deutschen sagten: „Schaut, wie dumm diese Polen sind, die unsere Panzer mit Lanzen angreifen!“. Die Polen sagten: „Schaut, wie tapfer unsere Soldaten sind, sie greifen Panzer mit Lanzen an!“. Beide redeten Blödsinn… Ich benutzte meine Vorstellungskraft und machte die deutschen Panzer zum mystischen Firepanzer

„Wir sehen uns in Walhalla wieder!“

Markus: Ram It handelt von einem Kampfpiloten, der einen feindlichen Bomber rammt und sagt: „Wir sehen uns in Walhalla wieder!“. Davon habe ich noch nie gehört. Welche Quellen hast du genutzt, um von solchen Ereignissen zu erfahren und wie hast du entschieden, welche dieser Ereignisse in Songs umgesetzt werden?
Erwin: Das Lied handelt von einem deutschen Piloten in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges, der mit seiner ME262 einen amerikanischen Bomber, eine B26 mit dem Namen Trouble In Mind, rammte, weil er keine Munition mehr hatte. Sein letzter Schrei war tatsächlich „Wir sehen uns in Walhalla wieder!“. Was ging ihm durch den Kopf? Wie kann man wirklich so indoktriniert sein, dass man sein Leben in einer so hoffnungslosen Situation weg wirft? Das ist es, was mich fasziniert…
Meine Quellen sind alles, was ich über Geschichte lese, sehe und höre. Jeden Tag lese ich, und alles, was passiert, lässt mich nach mehr suchen. Ich bin wirklich der Typ, der immer den nächsten Hügel sieht und verzweifelt wissen will, was dahinter ist. Was die Geschichte hinter der Geschichte ist, sozusagen. Die Entscheidung, etwas in einem Song zu verwenden, kann ein Wort sein, ein auf meine eigene Geschichte bezogener Fakt, oder etwas, von dem ich sage: „Wow – das ist interessant“. Ich gebe dir ein paar Beispiele:
From Scout To Liberator handelt von der Befreiung meiner Heimatstadt Antwerpen im Zweiten Weltkrieg. Eine britische Panzerdivision, die nur eine Aufklärungsfahrt auf der Straße von Brüssel nach Antwerpen machte, konnte die wichtige Brücke über den größten Fluss zwischen diesen Städten einnehmen.
Und nur, weil ein Mann, ein Bauingenieur, mutig genug war, die Panzerkolonne aufzuhalten, und sie zu einer kleinen unverteidigten Fußgängerbrücke über denselben Fluss führte. Er wusste, die Deutschen wussten es nicht, dass die unbedeutende Brücke gerade stark genug war, um die Panzer einen nach dem anderen zu tragen… Drei Panzer überquerten die kleine Brücke und nahmen die Hauptbrücke von hinten. Eine kleine Person veränderte die Geschichte…
Forever In Time ist belgische Geschichte. Zehn belgische Blauhelme, Fallschirmjäger von UNAMIR, wurden am 7. April 1994 in Ruanda ermordet, massakriert und abgeschlachtet, während sie sich auf einer friedenserhaltenden Mission befanden.
 „Ihre Achillessehnen wurden durchgeschnitten, so dass sie nicht mehr rennen konnten. Die belgischen Soldaten wurden dann kastriert und starben, indem sie an ihren eigenen Genitalien erstickten“, sagte einer der Mörder… Sie wurden mit wenig Munition und ohne Verstärkung auf diese Mission geschickt, sie durften keine schweren Waffen mitbringen – es bestand keine Gefahr für sie und es würde nur ein paar Stunden dauern.
Das hat die belgische Regierung gesagt, und auch die UNO. Als sie umzingelt waren, durften sie sich nicht wehren. Ein paar von ihnen überlebten die ersten Gräueltaten und konnten ihre Waffen zurückerobern und einen letzten Widerstand leisten, bis sie alle getötet wurden. Einige der wichtigsten Offiziere fuhren an dem Ort vorbei, wo es geschah, und sie taten NICHTS. Sie haben sich nie für dieses Drama entschuldigt…
Am 15. April 1994 zogen die letzten belgischen Truppen ab, bald gefolgt von den anderen UN-Kontingenten. Als die Fallschirmjäger auf dem belgischen Militärflugplatz aus dem Flugzeug stiegen, zückten einige von ihnen ihr Messer, schnitten rituell ihre blauen UN-Mützen in Stücke und schworen, nie wieder unter der UN-Flagge zu kämpfen.
Ich persönlich fühle mich sehr schlecht dabei. Wie kann ein Land, oder zumindest seine Offiziere, seine eigenen Männer so verraten? Sie waren zur Friedenssicherung dort und durften sich nicht einmal verteidigen? Sie waren Fallschirmjäger – normalerweise würden sie niemals ihre Waffen abgeben, es sei denn, sie würden von einem ranghöheren Offizier dazu aufgefordert…Es ist entsetzlich.
Army Of Ghosts basiert auf dem Film The Railway Man. Es geht um die japanischen Internierungslager während des Zweiten Weltkriegs und die damit verbundenen Gräueltaten. Du hast dich ergeben, also bist du einer humanen Behandlung nicht würdig, weil du ein Feigling bist. Und Feiglinge verdienen es nur, zu arbeiten und zu sterben…Sobald ich die Szene sah, in der einer der Gefangenen den Satz „We’re only an army of ghosts“ benutzt, wurde das Lied in meinem Kopf lebendig…

Die zwei Seiten einer Medaille

Markus: Wenn es um Kriege und bestimmte Ereignisse in diesen Kriegen geht, wurden auch schon andere Bands kritisiert, dass sie ihre Musik nutzen, um brutale Ereignisse zu relativieren. Wie reagierst du auf solche Kritiker?
Erwin: Ich relativiere diese Ereignisse nicht, ich bin lediglich ein Geschichtenerzähler. Ich wähle weder eine Seite, noch bin ich in der Position zu urteilen. Ich studiere nur die Fakten und erzähle die Geschichte. Wenn jemand daraus lernen will, gut. Es ist wichtig zu zeigen, dass es auf beiden Seiten eines Konflikts normale Personen gibt, die durch die Ereignisse dazu gebracht wurden, auf eine besondere Weise zu handeln.
Nimm zum Beispiel diese Typen, die vor ein paar Tagen das Capitol angegriffen haben, vier Menschen wurden getötet. Es ist einfach zu sagen, sie sind alle Idioten, aber sie wurden jahrelang von einigen Leuten irregeführt und indoktriniert. Klingt vertraut, oder? Ich denke nicht, dass sie alle schlechte Menschen sind, aber diejenigen, die sich falsch verhalten haben, sollten natürlich bestraft werden.

Pläne für Live-Shows

Markus: 2021 wird hoffentlich ein besseres Jahr für Festivals und Clubshows sein. Wenn es wieder möglich ist, können wir dann damit rechnen, Fireforce in Deutschland und Österreich live zu sehen?
Erwin: Das größte Problem, in dem wir jetzt stecken, ist die Tatsache, dass es in Belgien für „nicht-professionelle“ Bands komplett verboten ist, zu proben. Wenn also diese Pandemie vorbei ist, ist das Spielen von Shows das erste, was ich tun möchte, aber ohne Proben, keine Shows… Unsere Release-Show, die für den 15. Januar in Deutschland geplant war, wurde wegen der neuen Covid-19-Bestimmungen abgesagt. Das ist scheiße.
Mein innigster Wunsch ist, dass Rage Of War nicht in diesem Covid-19-Wahnsinn untergeht… Wann können wir das live unterstützen? Ich habe im Moment keinen Schimmer… Aber auf jeden Fall wollen wir der Welt zeigen, dass Fireforce lebt, dass alle Puzzleteile zusammengefallen sind, und dass vier engagierte Musiker auf der Bühne stehen – Metal all the way!
Und natürlich würden wir gerne nach Deutschland und Österreich kommen, wenn es möglich ist!

Musiktipps aus Belgien

Markus: Wir sind immer auf der Suche nach neuer Musik. Welche Bands aus deiner Heimatstadt kannst du uns empfehlen?
Erwin: Es kommt natürlich darauf an, welche Musik man mag. Ich stehe mehr auf die Oldschool-Sachen. Und von meiner Heimatstadt ist ziemlich einfach: keine. Also gehen wir mal insgesamt nach Belgien: Hunter ist eine echte Oldschool-Band, die man sich mal anhören sollte. Sie sind gute Freunde von mir und ich mag wirklich, was sie machen.
Objector ist eine Thrash-Band, die ich wirklich mag, schönes Riffing! Wenn du Black/Speedmetal magst, solltest du auf jeden Fall Bütcher anchecken. Mag jemand Doom Metal? Cult Of Scarecrow sind es wert, dass man sie anhört! Cuttermess bringen Crossover/Heavy/Thrashmetal, und sie sind gut! Progressiver Power Metal mit Frauenstimme? Versucht Cygnus Atratus. Oder mit einem normalen Sänger? Iron Mask.
Old School Power/Speedmetal ist das, was Drakkar bringt. Elusion bringt Gothic/Symphonic Metal mit einer weiblichen Sängerin. Magst du eher Heavy/Thrash? Probiere Guilty As Charged! Und Black Metal? Ancient Rites von meinem Kumpel Gunther, aber ich bin sicher, ihr kennt sie alle schon, haha!
Es gibt eine Menge großartiger Bands in Belgien, aber ich kann sie nicht alle aufzählen. Schaut sie euch an und ihr werdet tolle Musik entdecken!

Markus: Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir.
Erwin: Zunächst einmal: Danke, dass ich da sein durfte, danke für die Unterstützung von Fireforce. Und dann, wenn ihr einen Traum habt, lasst niemals zu, dass jemand versucht, euch diesen Traum wegzunehmen! Stay safe, stay Metal!


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