Dry Cleaning – Stumpwork – Album Review

Dry Cleaning – Stumpwork
Herkunft:
London / UK
Release:
21.10.2022
Label: Beggars Group / 4AD
Dauer:
45:21
Genre:
Alternative Rock / Post Punk


Foto Credit: Ben Rayner

Dry Cleaning haben mit ihrem ersten Album New Long Leg eine Welle an Euphorie bei Publikum und Kritikern hinterlassen. Trotzdem ich eigentlich mehr in härteren Gefilden fische, ist auch mir das Quartett aus London ins Netz gegangen und hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Für mich war das Grund genug die Band Anfang des Jahres live anzuchecken. Die Band hat auch auf der Bühne gezündet, weil die Diskrepanz zwischen der berechnend kühlen Frontfrau Florence Shaw und den drei Vollblutmusikern neben ihr auf der Bühne noch deutlicher zum Vorschein trat. Besonders Tom Dowse an der Gitarre hat gerockt und Schweiß beim Publikum erzeugt. Da war die Erwartung also sehr weit oben angesiedelt, als ich mir das Review an Land gezogen habe.

Hatte die Band den Vorgänger noch in nur zwei Wochen eingespielt, so zogen Dry Cleaning dieses Mal aus der Metropole London ins beschauliche Wales, um mit Zeit und Sorgfalt Stumpwork einzuspielen. Doch der Schritt war nicht so riesig wie befürchtet. Zwar brachte die Veränderung des Studios neue Inspirationen und wirkte Routine entgegen, aber bei der Wahl des Produzenten John Parish und des Toningenieurs Joe Jones blieben sie bei bereits bewährten Helfern.

Ein zweiter Aufguss oder doch ein neuer Drink?

Das war die Frage, welche uns wohl alle beschäftigt. Nein, ganz neue Zutaten sind nicht im Glas, denn der Stilbruch ist im ersten Moment nur marginal wahrzunehmen. Florence Shaw singt auch auf dem zweiten Album keine Melodien, sondern summt verträumt oder intoniert einzelne Wort.

Die surrealistischen Lyrics sind immer noch schwer fassbar, prinzipiell interpretierbar und erscheinen teilweise absurd. Mehr als auf dem Debüt wird die Frontfrau durch die Produktion ins Rampenlicht gerückt. Sie avanciert zum Mittelpunkt des Albums und die drei Herren stehen brav unterstützend im Background.

Das Wort brav ist bewusst gewählt, aber nicht abwertend gemeint. Ihre Zuarbeit auf Stumpwork ist im ersten Augenblick unauffällig und verdient schon fast nur noch das Attribut Post, aber immer weniger Punk. Gegenüber dem Vorgänger ist das aktuelle Album nicht mehr so gitarrenorientiert und kantig. Vergleicht man dann den aktuellen Satus mit den beiden ersten beiden EPs, so hat sich das Soundkonzept inzwischen komplett verändert.

Aber natürlich sind 2022 immer noch kleine Geniestreiche enthalten. Der kühle Opener Anna Calls From The Arctic kommt ohne Gitarre aus. Den sterilen Computerdrums stehen der warme Bass und die sanften Töne eines Saxophons entgegen.

Der Refrain von Gary Ashby schleift sich gnadenlos in die Gehörgänge ein und Don’t Press Me, welches ihr HIER hören könnt, ist eine kurzweilige und massenkompatible Abgehnummer. Auch Conservative Hell ist leicht verdaulich. Der Song startet tanzbar und endet in psychedelischen Soundklängen.

Auf der Suche nach dem Rauen, dem Ursprünglichen

Dry Cleaning sind in der Vergangenheit mit tanzbarer, sehr eigener Musik in unser Ohr gedrungen. Die Frontfrau stellt mit ihrer unterkühlten Art schon ein absolutes Alleinstellungsmerkmal dar, kann es aber auf Dauer nicht alleine bleiben. Die notwendigen Kanten zum daran Reiben und die ausgefallene Ideen kommen vor allem zum Ende des Albums. So besticht Liberty Log ab Mitte des Songs mit in einem kontrollierten experimentellen Ausbruch der Band und sphärischen Soundlandschaften.

Als innovativ und cool, weil gegen den Strich, kommt Icebergs daher. Das anhaltend flirrende Grundgeräusch, die tranceartige Wiederholung von Basslinie und Gitarrenspiel in Kombination mit saxophonähnlichen Klängen und Samples machen den abschließenden Song zu einem Erlebnis.


Fazit
Dry Cleaning bleiben nicht am erfolgreichen Debüt kleben und haben sich hörbar weiter entwickelt.
Das Album stellt die Frontfrau in den Fokus und platziert als Unterstützung die Musiker und ihre Ideen um sie herum. Das Spektrum auf Stumpwork reicht von tanzbaren Ohrwürmern bis zu kantigen Kompositionen am Ende des Albums. Gelungene 8 / 10

Line Up
Florence Shaw – Gesang
Lewis Maynard – Bass
Tom Dowse – Gitarre
Nick Buxton – Schlagzeug

Tracklist
01. Anna Calls From The Arctic
02. Kwenchy Kups
03. Gary Ashby
04. Driver’s Story
05. Hot Penny Day
06. Stumpwork
07. No Decent Shoes For Rain
08. Don’t Press Me
09. Conservative Hell
10. Liberty Log
11. Icebergs

Links
Webseite Dry Cleaning
Facebook Dry Cleaning
Instagram Dry Cleaning


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