Crippled Black Phoenix – Banefyre – Album Review
Crippled Black Phoenix – Banefyre
Herkunft: Schweden / Großbritannien
Release: 09.09.2022
Label: Season Of Mist
Dauer: 01:37:32
Genre: Dark Rock / Post Rock
Crippled Black Phoenix sind seit ihrer Gründung 2004 eher ein unbeständiges Kollektiv als eine Band im klassischen Sinne. Immer wieder kommen neue Musiker hinzu, während andere sich verabschieden – Gründer Justin Greaves und Sängerin Belinda Kordic sind so ziemlich die einzigen Konstanten im Line-Up.
Trotzdem kann die Combo auf eine stattliche Anzahl an Veröffentlichungen zurückblicken, wobei ihre 2020er Scheibe Ellengaest oft als ihr emotionalstes und kohäsisvstes Werk bezeichnet wurde. Die Messlatte für das neue Album Banefyre liegt also sehr hoch. Crippled Black Phoenix wären aber nicht sie selbst, wenn sie sich nicht weiterentwickeln würden und außerdem einfach so eine Scheibe mit eineinhalb Stunden Spielzeit aufnehmen. Soviel neue Musik schaffen viele andere Bands in doppelt so langer Zeit nicht.
Lautstarke Ruhe
Wie immer gilt auch bei Banefyre, dass man sich für das Album Zeit nehmen muss. Die Band entzieht sich erneut jedwedem Versuch, ihre Musik auch nur ansatzweise erfassen zu können – außer man fokussiert sich wirklich darauf und lässt alles andere während der Spielzeit außen vor.
Das betrifft einerseits die packende Instrumentalisierung, andererseits aber auch die Botschaften hinter den Texten. Die Band will ja seit je her so etwas wie eine Stimme für jene sein, die nicht für sich selbst sprechen können oder nicht gehört werden. Dazu zählen all jene, die irgendwie andersartig sind, aber auch für Tiere setzen sich die Musiker ein. Nicht unbedingt lautstark, denn ihr düsterer Post Rock ist vor allem in ruhigeren und etwas psychedelischen Gefilden angesiedelt. Dafür aber mit Nachdruck und höchst authentischer Emotionalität.
Zum Träumen und Grübeln
Wer knackige 3-Minuten-Songs präferiert, der wird mit Banefyre vermutlich wenig anfangen können. Wer mit Musik aber mehr verbindet als bloße Unterhaltung und zudem gerne zwischen den Zeilen liest sowie ganz allgemein sehr grüblerisch veranlagt ist, der wird wieder bestens bedient.
Beispielsweise mit dem vorab veröffentlichten Song Blackout77, in dem es um einen völligen Stromausfall in New York geht, inklusive Randale und Straßenfeuern. Die verträumte Nummer wird durch Textzeilen wie „The Riots in the streets tonight, Shoots your nerves to sky“ konterkariert und mit alten Medienberichten zum Ereignis unterlegt, was eine sehr spannende Hörerfahrung schafft. HIER kannst du dich selbst davon überzeugen.
Hohe musikalische Bandbreite
Insgesamt betrachtet verlassen Crippled Black Phoenix ihre musikalische Nische selten, diese ist aber auch sehr weitläufig und vereint eine große Anzahl musikalischer Einflüsse. In Wyches And Basterdz wird beispielsweise dem okkulten Rock vergangener Zeiten gefröhnt, während Down The Rabbit Hole klingt wie eine Symbiose von Pink Floyd und Avatarium.
I’m OK, Just Not Alright hingegen verwandelt sich von fröhlicher Zirkusmusik über akustische Hippie-Klänge hin zu einem stampfenden Post Rocker, der mit Zeilen wie „I’m an idiot, a pessimist. Paranoid, a neurotic. Sun beams a good day. All i see, clouds are grey“ nicht gerade für gute Laune sorgt.
Über die sehr lange Spielzeit ist es jedenfalls fast unmöglich, ganz bei der Sache zu bleiben. Dafür konzentriert sich die Band etwas zu sehr auf atmosphärische Song-Strukturen der düsteren und schwermütigen Art, sodass zwar keine Monotonie im klassischen Sinne, aber hin und wieder ein Gefühl der Übersättigung aufkommt. Die Band schafft es aber immer wieder, die abschweifenden Gedanken ihrer Hörerschaft wieder einzufangen und auf sich zu konzentrieren.
Banefyre ist somit genau so wenig ein klassisches Album wie Crippled Black Phoenix eine klassische Band ist. Die Scheibe ist mehr als Musik, sie ist viel eher eine Art Soundtrack für grüblerisches Kopfkino mit größtenteils dunklen, stellenweise aber auch positiven Momenten.
Fazit
Crippled Black Phoenix servieren uns mit Bonefyre erneut ein Album, das gleichermaßen zugänglich als auch schwer zu verarbeiten ist. Die schwedisch-britische Formation lotet ihre selbst geschaffene Nische des düsteren Post Rock vollständig aus und schreckt auch vor kleinen Neuerungen nicht zurück, wodurch ein großteils faszinierendes, aber teils auch etwas langatmiges Hörerlebnis geschaffen wird. 8 / 10
Line Up
Justin Greaves – Gitarre, Schlagzeug, Bass, Samples
Belinda Kordic – Gesang, Percussions
Helen Stanley – Grand Piano, Synthesizers, Monochord, Trompete
Andy Taylor – Gitarre, Bariton-Gitarre, 12-String-Gitarre
Joel Segerstedt – Gesang, Gitarre
Tracklist
01. Intro/Incantation For The Different
02. Wyches And Basterdz
03. Ghostland
04. The Reckoning
05. Bonefire
06. Rose Of Jericho
07. Blackout77
08. Down The Rabbit Hole
09. Everything Is Beautiful But Us
10. The Pilgrim
11. I’m OK, Just Not Alright
12. The Scene Is A False Prophet
13. No Regrets
Links
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