Comedy und Metal – Sonntagsgedanken – Kolumne
Metal ist True, aber deswegen noch lange nicht Bierernst. Humor ist in diesem Genre bestimmt nichts Neues, aber die Anzahl an flachwitzigen Spaßtruppen nimmt immer mehr zu. Hört sich der Spaß irgendwann auf, und falls Ja – Wo ist die Grenze?
Einige altgediente Bands haben sich ein regelrechtes Image rund um Comedy aufgebaut. Ganz vorne mit dabei sind beispielsweise JBO, die seit längerem als „Verteidiger des wahren Blödsinns“ auftreten. Dann gibt es noch die US-Amerikaner Psychostick, die darüber singen, dass sie ihre Bärte heiraten wollen. Brian Posehn hingegen ist seit Jahren „More Metal Than You“, während Red Fang sich Rüstungen aus Bierdosen basteln.
Auch Combos, die keine konkreten Comedy-Anleihen in ihrem Image haben, sind für Scherze zu haben. Zakk Wyldes‘ Black Label Society etwa trägt in ihren Musikvideos auch mal Pferdemasken oder tritt in Slapstick-Manier als Karatekämpfer auf. Selbst alte Helden wie Judas Priest oder Iron Maiden nehmen sich nicht immer besonders ernst, wie die Videos zu Breaking The Law und Holy Smoke beweisen.
Der (Flach-)Witz als Geschäftsmodell
So weit, so alt, so gut. Bei neuerer Musik sind es vor allem Alestorm, welche die Metal-Gemeinde spalten. Begonnen als „Pirate Metal“ Band, macht die Combo inzwischen fast nur noch Comedy. Mit Songs über kleingewachsene Piratenkapitäne und darüber, dass es sich nur auf einem Schiff gut leben lässt, reiht die Combo einen Kalauer an den nächsten. Beispiel: „Living in a car isn’t very Yarrr, Living in a lighthouse, that’d be a shite house“ aus Big Ship, Little Ship, das ihr HIER sehen könnt.
Die Piratenkollegen von Rumahoy, HIER ein Video, hingegen hätten gerne den erschossenen Gorilla Harambe als Crew-Mitglied: „Hey! Harambe, pirate gorilla, if you were alive you could join our crew.“ Die Italiener Nanowar of Steel lassen währenddessen den nordischen Göttervater Odin in Valhalleluja, HIER das Video, folgendes Statement abgeben: „Hear my voice, this is Odin calling you, Times have changed, I’m a Gentlegod, No more war, just design of furniture, Master of IKEA“.
Weitere Beispiele aus dem Fantasy-Universum sind Gloryhammer, die als Weltall-Ritter gegen den Zauberer Zargothrax kämpfen, sowie Nekrogoblikon mit ihrer Talk-Show, die von ihrem Aushängeschild Joe Goblikon gehostet wird. Der ist übrigens ein buckliger Goblin mit schlechten Manieren.
Die Musik hinter dem Schmäh
Textzeilen und Gimmicks sagen natürlich wenig über die Musik selbst aus. Dennoch ist diese bei Comedy-lastigen Acts oft eine Power Metal-Spielart mit Ohrwurmmelodien. Kurzum: Das, was manche Metaller als Schlager- oder Schunkel-Metal bezeichnen. Dafür braucht es übrigens nicht unbedingt alberne Texte, siehe etwa Sabaton und Powerwolf.
Während beispielsweise Nekrogoblikon und Nanowar of Steel zweifelsohne auch starke Kompositionen veröffentlichen, kann man das bei anderen Bands bezweifeln. Dragonforce etwa haben in einem YouTube-Video HIER einen originalgetreuen Alestorm-Song samt Text komponiert – in 10 Minuten und mit jeder Menge Seitenhieben. Auch die Songs von Rumahoy sind eher simpel strukturiert (wobei simpel und schlecht zwei unterschiedliche Definitionen sind, wohlgemerkt).
Wo hört das Lachen auf?
Metallische Musik ist, so wie alles andere auch, ein Business. Wenn sich die Musik Comedy-lastiger Bands gut verkauft, werden solche Bands auch von Plattenfirmen unter Vertrag genommen. Man könnte also einfach sagen: Erlaubt ist, was gefällt. Man könnte aber auch sagen: Wenn diese Combos Verträge zugeschanzt bekommen, bleiben „ernsthaften“ Musikern weniger Möglichkeiten, ihre Karrieren voran zu treiben. Im Underground gibt es viele starke Bands, die hart für ihre Karrieren arbeiten, dafür aber nicht unbedingt belohnt werden.
Bei Soundmagnet reviewen wir regelmäßig Eigenproduktionen, von denen die Metal-Welt vermutlich weniger Notiz nehmen wird. Beispiele dafür sind die Melodic Death Metaller von Dark Rites, HIER gehts zum Review des aktuellen Albums, und die modernen Prog-Metaller Demise Of The Crown, HIER mehr zur Band. Sarkastisch ausgedrückt: Diese starken Combos bleiben kaum bekannt in ihren Proberäumen sitzen, während Schunkellieder über Piratengorillas und Analsex mit einem Schiffsanker ohne Ende Views auf Youtube bekommen.
Die Pointe ist noch unklar
Natürlich sind Geschmäcker immer verschieden. Ein Vergleich: Manche Menschen schauen ausschließlich ARTE im Fernsehen, andere hingegen schalten die Glotze liebend gerne zu Trash-Sendungen mit C-Promis auf RTL ein. Manche Personen tun auch beides, je nach Lust und Laune. Wer hat jetzt mehr „Recht“ bei der Auswahl seines Fernsehprogramms? Im Grunde niemand, weil es nunmal eine sehr subjektive Frage ist. Bevormundung ist hier fehl am Platz, es herrscht schließlich Meinungsfreiheit.
Bei Musik ist es ähnlich. Wer ausnahmslos Sauflieder oder Comedy-Songs mag, wird mit komplexen Prog Rock-Strukturen nicht anfangen können – auch wenn diese noch so gut gemacht und, musiktheoretisch betrachtet, „besser“ sind. In einem Business gibt letztlich der Erfolg immer Recht und Diskussionen über den „besseren Geschmack“ waren bei Musik ohnehin noch nie zielführend.
Trotzdem wäre es schön, wenn Musiker wieder stärker als Musiker und weniger als persönliche Spaßmacher wahrgenommen werden. Ohne Comedy-Bands per se schlecht reden zu wollen, denn dafür sind sie zu unterschiedlich und teilweise auch einfach zu gut: Es gibt viele Combos da draußen, die sich weniger als Party-Gag, dafür aber für viele andere Situationen eignen. In einer perfekten Welt hätten all diese Bands Verträge und eine größere Fangemeinde, dafür gäbe es eben etwas weniger plumpe Kalauer, die eh nur beim ersten Hören halbwegs witzig sind.
PS: Der Autor dieser Zeilen ist übrigens bekennender Gloryhammer Fan, findet Nanowar of Steel sowie Nekrogoblikon genial und liebt die albernere Seite von Black Label Society.
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