Benediction – Nachgefragt bei Darren Brookes – Interview
Die Death Metal Legenden Benediction bringen nach zwölf Jahren mit Scriptures ein neues Album heraus. Erstmals seit 1998 gröhlt darauf wieder Sänger Dave Ingram für die Band. Grund genug also, der Combo ein paar Fragen zu stellen. Gitarrist Darren Brookes hat sie alle ausführlich beantwortet.
The original interview in English can be found HERE.
Markus (Soundmagnet): Seit eurem letzten Werk Killing Music sind 12 Jahre vergangen. Warum hat es bis zum aktuellen Album Scriptures so lange gedauert?
Darren: Viele Gründe, Markus. Nachdem wir Killing Music gemacht haben, waren wir zunächst ausgiebig auf Tournee, um diese Platte zu promoten. Dann wurden wir einige Jahre lang von einer Reihe von Veranstaltern gebeten, „Old School“-Sets zu spielen, so dass der Wunsch, neue Musik zu schreiben, etwas gedämpft wurde. Wir hatten auch Mühe, Neil Hutton auf dem Schlagzeughocker zu ersetzen. Er war ein wirklich solider Schlagzeuger.
Dann ist da noch die Tatsache, dass Rewy (Peter Rew, Gitarrist) aus Birmingham weggezogen ist. Ich und Rewy sind und waren schon immer die Verfasser unserer gesamten Musik, so dass es ein wenig schwierig wurde. Aber ich glaube, der größte Dorn war unsere reguläre Arbeit.
Ich würde gerne Vollzeit bei Benediction spielen, aber die Wahrheit ist, dass damit allein keine Rechnungen bezahlt werden können. Wir sind jetzt alle erwachsen geworden, wir haben Familien, Häuser, Kinder, und das ist ein enormer Aufwand und erfordert auch, dass wir öfter zu Hause sind. Ich und Rewy haben in unseren Berufen wirklich gute Fortschritte gemacht, und es wurde schwierig, den Beruf, das Familienleben und die ständigen Tourneen, die wir gemacht haben, unter einen Hut zu bringen und dann auch noch die Zeit und die Energie zu finden, um für eine neue Platte zu schreiben.
Markus: Euer Plattenlabel bewirbt das neue Album als „ein Album, bei dem alles so ist, wie es sein sollte“. Nun, wie sollte es sein und was können wir unter dieser Aussage verstehen?
Darren: Ich schätze, es bedeutet, dass es ein wahres, ehrliches Benediction Album der alten Schule ist. Keine äußeren Einflüsse, keine Gimmicks, kein Schwachsinn. Wir versuchen hier nicht, das Rad neu zu erfinden und wir versuchen auch nicht, etwas zu sein, was wir nicht sind. Wir wollten nur ein klassisches Album, das die Leute sofort als Benediction erkennen würden. Ein modernes Death Metal Album der alten Schule. Ich denke, wir brauchen es, um ehrlich zu sein. Ich denke, die Death Metal-Szene ist zu sehr auf Geschwindigkeit und technische Fähigkeiten konzentriert, und wir haben den Groove, das Gefühl, die Kraft verloren. Wir haben vor, die alte Schule zu den Menschen zurückzubringen!
Markus: Nach ca. 30 Jahren in der Branche kennen Death Metal-Fans euren Sound. Können wir auf Scriptures dennoch mit einigen Überraschungen oder Experimenten rechnen?
Darren: Nein. Warum? Es gibt so viele Bands, die ihren Weg, ihre Identität verlieren, indem sie versuchen, etwas anderes zu machen. Benediction ist Benediction, und das gefällt uns. Viele Death Metal Bands klingen im Vergleich sehr ähnlich, und uns gefällt die Tatsache, dass wir wie Benediction klingen. Wir experimentierten in den 80er Jahren, als diese Szene ihren Anfang nahm. Wir fanden unseren Sound, unseren Stil. Wir mochten ihn und tun es immer noch.
Markus: Ihr habt euch 2019 von Sänger Dave Hunt getrennt und seinen Vorgänger Dave Ingram zurück in die Band geholt. Wie war es für euch, wieder mit Dave Ingram an neuem Material zu arbeiten?
Darren: Zunächst möchte ich Dave Hunt für seine hervorragende Arbeit in den letzten 21 Jahren danken. Es war wirklich eine Freude, mit ihm zu arbeiten, aber ja, es ist cool, wieder mit Dave Ingram zu arbeiten. Er weiß, wie wir klingen, wie wir schreiben und wie wir sind, also war es eine einfache Angelegenheit. Benediction sind jetzt seit mehr als dreißig Jahren eine Tour-Band. Wir haben nicht aufgehört, als die Szene abflaute, wir sind geblieben. Dennoch fühlt es sich wie ein Comeback an. Sehr merkwürdig.
Markus: Benediction hat allgemein viele Besetzungswechsel erlebt, nur du und Rewy seid seit Anfang an dabei. Wie schafft ihr es, trotz der Veränderungen eurem Sound treu zu bleiben? Wie funktioniert das Schreiben eurer Songs?
Darren: Es liegt ganz einfach daran, dass, wie ich bereits sagte, ich und Rewy das Herz und die Seele dieser Band sind und es immer waren. Wir haben ähnliche Stile, Einflüsse und Geschmäcker. Der Schreibprozess hat sich im Laufe der Jahre verändert. Früher haben wir unsere gesamte Musik bei den Proben geschrieben. Damals waren wir jünger, ohne wirkliche Verantwortung. Wir gaben unsere Jobs auf und saßen die meisten Tage im Proberaum. Heutzutage schreiben wir mehr zu Hause, manchmal allein, manchmal zusammen. Aber das Gefühl ist das gleiche.
Markus: Anfang 2020 musstet ihr eure Südamerika-Tour absagen, weil Dave Ingram gesundheitliche Probleme hatte. Wie geht es ihm jetzt? Ich hoffe, dass er sich wieder erholt hat.
Darren: Ja, das war ein echter Wehmutstropfen für uns. Wir lieben es, Südamerika zu bereisen, aber natürlich ist die Gesundheit und das Wohlbefinden eines unserer Brüder von entscheidender Bedeutung. Nachdem wir die italienischen Auftritte um Weihnachten herum absolviert hatten, scheinen Daves Probleme mit seinen Hüften zu einem echten Problem geworden zu sein. Er bekam eine Infektion und es wurde ihm unmissverständlich gesagt, dass er riskiere, die Funktion seines Beins zu verlieren, wenn er nicht sofort operiert würde. Leider bedeutete das, dass wir viele unserer Fans enttäuschen mussten, wofür wir am Boden zerstört sind. Dave wurde operiert und wird diese Woche die zweite Hüfte operiert bekommen (Anmerkung: Stand 28.09.2020). Wir hoffen also, dass er bald wie ein Känguru herumhüpfen wird. Ich hoffe es um seinetwillen, denn er hat schon seit geraumer Zeit Schmerzen. Hoffentlich gehört das bald der Vergangenheit an.
Markus: Welche Pläne habt ihr im Moment für die nahe Zukunft? Es gibt derzeit für Künstlerinnen und Künstler leider nicht viel Planungssicherheit. Ich glaube aber, dass sich die Fans im deutschsprachigen Raum über ein baldiges Wiedersehen mit euch freuen würden.
Darren: Oh mein Gott, wir wollen unbedingt rausgehen und live spielen. Benediction ist wirklich eine Live-Band, dort fühlen wir uns am wohlsten und sind am glücklichsten. Ich möchte wieder mit den Fans interagieren. Wir versuchen, einige „social distancing Freundschaftsshows“ zu organisieren, aber das ist schwierig. Die Kosten sind lächerlich hoch und es ist schwierig, sie zu finanzieren, weil die Zuschauerzahlen so begrenzt sind. Aber wir versuchen es verzweifelt. All die Auftritte dieses Jahres sind verschoben worden, so dass wir, sobald diese Covid-Schlampe es uns erlaubt, so bald wie möglich auftreten werden.
Markus: Ich erinnere mich, euch bei der „No Reunion Required“-Tour 2008 live gesehen zu haben. Dort habt ihr gesagt: Ihr wollt keine Spielchen mit dem Publikum spielen, wie z.B. die Bühne verlassen und nach Applaus oder anderem theatralischen Blödsinn wieder zurückkehren. Was unterscheidet eure Shows von anderen, was macht sie eurer Meinung nach besonders? Es muss etwas geben, sonst könnte ich mich 12 Jahre später wohl kaum an eine eurer Club-Shows erinnern.
Darren: Ich denke, der größte Unterschied besteht darin, dass die Show nicht nur für die Fans ist. Sie ist auch für uns. Wie ich bereits sagte, tun wir das nicht, weil es ein Job ist, sondern weil wir es lieben und weil wir daran glauben. Wir stellen eine Verbindung zum Publikum her, sei es auf der Bühne oder danach an der Bar. Die Show ist wichtig für uns. Für manche Bands wird sie zu einem Job. Sie interessieren sich mehr dafür, wie viele Leute da sind oder wie viele T-Shirts verkauft wurden, und weniger für den wahren Grund, warum wir das tun sollten. Wir sind stolz auf Benediction und wir sind stolz auf unsere treue Fangemeinde. Sie ist uns über die Jahre treu geblieben. Und hoffentlich wird sie das an die nächste Generation weitergeben, und wir können diese Szene am Leben erhalten.
Es geht nicht um das Geld, den Ruhm, das „Oohh schaut mich alle an“. Es geht um die Musik, das Gefühl, die Freundschaft, die Zugehörigkeit. Deshalb verachte ich „Rockstars“ und Leute, die meinen, sie stünden über einem, weil sie in einer Band sind. Scheiß auf diese Leute. Wenn es nicht andere Leute „unter ihnen“ gäbe, die sie unterstützen, indem sie zu Shows kommen und ihre Musik kaufen, wären sie niemand. In den meisten Fällen sind sie Niemande, sie haben einfach Glück und sollten sich dessen bewusst sein.
Ausgezeichnet! Ausgetobt! Das hat sich gut angefühlt!
Markus: Eine schwere und sich ziemlich wiederholende Frage, wie ich annehme, aber dennoch: Wenn du jeweils einen Song vom neuen Album und aus deiner gesamten Karriere auswählen müsstest, welche Songs würden das sein?
Darren: Diese Frage ist unmöglich zu beantworten. Wie ich bereits sagte, hat sich Benediction nie wirklich zu weit von sich selbst entfernt, und deshalb hat sich der größte Teil unseres Materials über die Zeit hinweg bewährt. Diese neue Platte fasst unsere musikalische Karriere insofern zusammen, als dass an einem bestimmten Tag mein Lieblingsstück des Albums zum Beispiel Embrace The Kill sein wird. Am nächsten Tag ist es vielleicht Progenitors und am nächsten Tag Stormcrow. In ähnlicher Weise werde ich an einem Tag Grind Bastard, am nächsten Tag The Grand Leveller und an einem anderen Tag Transcend bevorzugen.
Jedes Album, jedes Lied bedeutet mir etwas, eine Erinnerung daran, wie viel Glück ich hatte, um die Welt zu touren und vor erstaunlichen Menschen an ebenso erstaunlichen Orten zu spielen. Meine Favoriten wechseln regelmäßig. Diese Frage möchte ich daher lieber anderen stellen.
Markus: Wir sind immer auf der Suche nach neuer Musik aus der ganzen Welt. Welche Bands aus deinem Heimatland kannst du uns empfehlen, die wir uns neben den offensichtlichen Bands wie Black Sabbath, Judas Priest und so weiter unbedingt anhören sollten?
Darren: Hey, ich höre alle Arten von Musik, nicht nur Metal. Meine Leidenschaft ist klassischer Heavy Metal aus den 80er Jahren, aber ich höre auch gerne Pink Floyd. Ich bin ein großer Fan der Cardiacs. Die Band, die ich mir gerade anhöre, nennt sich Redline. Eine klassische Heavy Metal Band. Hör‘ sie dir an, Mann.
Markus: Vielen Dank für deine Antworten. Die letzten Worte gehören dir. Gibt es etwas, was du euren Fans und unseren Lesern sagen möchtest?
Darren: Vielen Dank mein Freund, viel Glück und ich hoffe, dass wir uns bald auf ein Bier treffen können.
Ich möchte mich einfach bei allen Lesern bedanken, die dieses Interview gelesen haben. Ich hoffe, es war unterhaltsam. Allen, die bereits Fans von Benediction sind, möchte ich für die treue Unterstützung in all den Jahren danken. Ich schätze das sehr hoch ein. Jedem, der Benediction oder Death Metal im Allgemeinen gerade erst entdeckt hat, möchte ich sagen: Willkommen an Bord, es ist schön, euch zu sehen!
Ich hoffe, ihr mögt Scriptures. Wir sind sehr stolz darauf.
Foto Credit Beitragsbild: Karen Rew
Außerdem auf Soundmagnet.eu
Album Review – Kataklysm – Unconquered
Interview – Nachgefrag bei Cult of Lilith
Kolumne – Die Kutte – Dresscode, Rebellion und Kult