Bands aus Exotistan – die wirklich internationalen Bands – Teil 5 Estland- Kolumne
Metal verbindet Menschen über Ländergrenzen hinaus, weltweit. Während jeder Metalhead jedoch eine Band aus den gängigen, für Rock und Metal typischen Ländern, nennen kann, gestaltet sich das bei manchen Nationen eher schwierig. In dieser Kolumne wollen wir euch exemplarisch Vertreter aus dem sogenannten Exotistan vorstellen.
Nach zwei Staaten aus Asien und je einem aus Afrika und Mittelamerika haben wir nun mit Estland ein Land aus Europa in unserer Reihe der Exoten. Natürlich ist Estland jetzt nicht allzu weit entfernt, aber wer kennt schon mehr als zehn estnische Bands? Eventuell dürften einigen von Euch Illumenium in einer Fußgängerzone oder einem Rastplatz begegnet sein um ihr Album anzubieten. Gar nicht so verkehrt, doch Estland hat weitaus spannendere Acts zu bieten.
Grav Morbus
Eröffnen möchte ich mit einem Soloprojekt, welches bisher nur im Vorjahr released wurde und Grav Morbus heißt. Der Stil des Projekts wird von Kapa, dem Kopf dahinter, als „melancholisch/depressiv in verschiedenen Klängen und Harmonien“ beschrieben. Eine bedeutende Basis ist dafür ein Depressiver/Post Black Metal, der den ein oder anderen Abstecher macht, so zum Beispiel bei Massohist in das futuristische oder bei Memento Mori ins chorale. Das Ziel der melancholischen, beziehungsweise auch nachdenklichen Stimmung erreicht das Debüt Album Masohhist über seine ganzen fast 57 Minuten mit Bravour. Ebenso ist durch das große Spektrum das Werk sehr kurzweilig und ist perfekt um runterzukommen und einfach der Musik zu lauschen.
Die Texte sind bis auf den Opener Good Thoughts und den drei Instrumentals auf estnisch und werden passend dargeboten. Nicht nur Fans dieses Genres, kann ich das extrem starke Debüt ans Herz legen. In das Album könnt ihr HIER reinhören.
Neoandertals
Der nächste Act geht musikalisch und ideologisch in eine komplett andere Richtung. Das Duo Neoandertals ist im Brutal Death Metal zuhause und befasst sich thematisch hauptsächlich mit einem Vorgänger der Menschen, dem Neandertaler. Die Musik besteht rein aus Bass, Schlagzeug und Growling und bietet auch einiges an Gebolze. Deutlich Interessanter ist dabei aber die Authentizität, die das Paar im wahren Leben im Neo-Neandertalismus auslebt. Wie in einem aus dem Jahre 2011 siebenminütigen Beitrag des estnischen Fernsehens zu entnehmen ist, haben sich Rain und Sandra nicht nur zu einem Leben in einem selbstgebauten Haus aus unter anderem selbstgefällten Bäumen entschieden, sondern kochen vegan auf Feuer und betreiben ihren alten Volvo mit altem Speiseöl.
Auch ist die nichtkomplexe Sprache der Neandertaler im gruturalen Bereich unterzuordnen. Den Reiz des zwangfreien Lebens und der Naturverbundenheit, sowie deren Schonung kann ich definitiv verstehen. Ebenso kann man von Schlagzeugerin Sandra auch einen veganen Kochblock finden, der unter anderem auch Möhren hot dogs zu bieten hat. Definitiv ein insgesamt interessantes Pärchen, zu deren Musik ihr HIER mehr finden könnt.
Thou Shell Of Death
Das diesjährige Barther Open Air bot sowohl zum Abschluss des Freitags, als auch des Samstags einen Act aus Estland. Während ich am Freitag nicht mehr bis Ziegenhorn durchgehalten habe, hat mich Thou Shell Of Death als aller letzte Band auf ganzer Linie überzeugt. Alleine das Bühnenbild mit Ingwar und Rasmus vorne mit den Kutten und den Kerzen, mit dem monotonen und einfachen Licht und Nebel hat eine starke Stimmung erzeugt. Auch musikalisch hat mir das Trio durchaus gefallen: Die Band spielt einen atmosphärischen Black Metal. Auch wenn nicht untypisch Mythologie besungen wird, hat die Band im Genre etwas eigenes.
Die Band schafft es neben guten Riffs und fetten Blastbeats auf ihrem letzten Album Witchery Landschaften vor dem geistigen Album zu kreieren. Alle Lieder der Band gehen in die Überlänge und überschreiten auf der letzten Veröffentlichung allesamt die 10-Minuten-Marke. Thou Shell Of Death und vorallem das letzte Album sind es definitiv Wert die fast komplette Stunde zu investieren und Ihr werdet hoffentlich ähnlich überzeugt sein. Die Musik der Band findet ihr HIER.
Ulguränd
Auch im Bereich des paganischen Black Metals hat Estland einen vielversprechenden Act. Als erstes fiel mir bei Ulguränd das Logo auf: Ich finde das Design mit den verschiedenen Drachenköpfen hat was und ist auch vorher noch nicht von mir gesehen worden. Die Musik bietet neben Black Metal und einigen folkigen Melodien auch einige Momente aus dem klassischen Heavy Metal. Durch die klassischen Einflüsse in der Musik habe ich auch mehrfach Ragnarrock´n´Roll als Genrebezeichnung gefunden. Dabei geht es genretypisch um Mythologie, Geschichte oder Folklore. Auch wenn ich die estnischen Texte nicht so wirklich übersetzen kann.
Ulguränd haben bisher nur eine EP mit dem gleichen Namen aus dem Jahr 2019 herausgebracht. Zusätzlich ist man mit zwei weiteren Stücken auf zwei Samplern vertreten. Eines von den beiden Lõõm vom Tarbathian Fortress Sampler hat mich auch auf die Band aufmerksam gemacht. Den Titel könnt ihr HIER hören.
Forgotten Sunrise
Langjährige Fans des Doom/Death Metal dürften Leid erprobt sein, dass viele große Namen wie Katatonia, Anathema, My Dying Bride oder Paradise Lost neue Wege eingeschlagen haben, auch wenn letztere natürlich wieder recht nah an ihren Wurzeln sind. Auch Estland hat eine Band, die sich auch Anfang der 1990er gegründet hat und jetzt in anderen Gefilden unterwegs sind.
Forgotten Sunrise haben sich 1992 gegründet und hatten im Jahre 2001 auch einen Promo-Split in Litauen mit den nicht ganz unbekannten Bands Dimmu Borgir, Destruction und Susperia. Aus meiner Sicht war aber eindeutig die stärkste Zeit bei den ersten beiden Demos Behind The Abyssmal Sky und Forever Sleeping Greystones. Die Band ergänzte ihren Doom/Death Metal durch einige atmosphärischen oder auch schwarzmetallische Elemente. Vorallem das Debüt fand ich total vielversprechend und die Band braucht sich vor der Konkurrenz zu der Zeit definitiv nicht verstecken.
Ab der EP Forgotten Sunrise wird die Musik brutalst elektronisch. Während anfangs noch einige Metal Einflüsse und man teils an die elektronischeren Titel von Theatre Of Tragedy erinnert wird, klingt die Musik aktuell eher nach Bands wie Clan Of Xymox oder Depeche Mode. Seit 2014 ist Forgotten Sunrise auch keine Band mehr, sondern nur noch ein Duo. In eines der neueren Stücke könnt ihr HIER reinhören.
Oceans District
Zu guter Letzt möchte ich mit Oceans District noch eine rein instrumentale Post Metal Band präsentieren. Das Quintett bietet auf ihren beiden EPs insgesamt etwas über 60 Minuten Musik. Der Albumtitel der Zweitveröffentlichung Doomtown lässt an sich auf schwere Gitarren erwarten, doch wir bekommen vortreibenden Post Metal, was nicht heißt, dass eine zumindest melancholische Stimmung an der Band vorbeigeht. Die Stärke der Band ist neben guten Riffing mit drei E-Gitarren auch sicher die Vielseitigkeit, die keinen Zweifel aufkommen lässt, dass auch nur ein Moment des Albums langweilig ist.
Überzeugt Euch einfach von der Qualität der Band HIER. Wenn es Euch gefallen hat, könnt Ihr euch freuen, denn im Juli diesen Jahres hat die Band via Facebook vermeldet, dass 10 Stücke für eine neue Scheibe fertig und die Drums bereits im Kasten seien. Definitiv ein Release, auf das man sich freuen kann.
Außerdem auf Soundmagnet.eu:
Kolumne – Bands aus Exotistan – die wirklich internatonalen Bands – Teil 2 Indien
Kolumne – Bands aus Exotistan – die wirklich internationalen Bands – Teil 3 Madagaskar
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