Alt und Neu aus meinem Plattenschrank – Meine Empfehlung für Sonntag – Kolumne
Alt und Neu aus meinem Plattenschrank ist eine wiederkehrende Kolumne, in der unsere Redakteure jeweils ein Album zur näheren Besprechung und Vorstellung auswählen. Die perfekte Sonntagslektüre mit dem bestimmt ein oder anderen bisher unbekannten Musiktipp.
Spätestens seit dem Tod von Schlagzeuger Neil Peart gehören Rush leider der Vergangenheit an. Über vier Jahrzehnte haben die drei aus dem kanadischen Toronto ihre Fans mit Klassikern überhäuft. Vor allem die amerikanischen Fans durften sich über zahllose Liveauftritte der Prog Rock Heroen freuen.
In Europa waren Rush von Anfang an ein Geheimtipp. Ab und zu ist man zwar über den großen Teich geschwappt, aber den meisten europäischen Fans blieb nur das Ausweichen auf deren Livealben. Heute möchte ich nun das erste Livealbum All The World’s A Stage unter die Linse nehmen. Hier in einer zeitgenössischen europäischen Pressung.
Rush haben, zumindest bis in die 2000er hinein, nach jeweils vier Studioalben eine Liveplatte herausgebracht, um die breite Entwicklung der Band entsprechend abbilden zu können. Das 1976er Livealbum All The World’s A Stage wurde an drei Abenden im Juni 1976 zuhause in Toronto aufgenommen und zeigt einen repräsentativen Querschnitt der ersten vier Alben Rush, Fly By Night, Caress Of Steel und des damals neuen 2112.
Ein Dokument des Wandels
Gerade letzteres ist eingeschlagen wie eine Bombe und markiert die Transformation von Rush von einer Hardrock Kombo mit starkem Einschlag in Richtung Bluesrock sowie Led Zeppelin zu DER Progressive Rock und Metal Blaupause für die nächsten Jahrzehnte. Das Epos 2112 wurde leider nicht vollständig verewigt, aber zum Glück ist All The World’s A Stage auch sonst reich an Highlights. Sei es der Opener Bastille Day, der vor brachialer Power nur so strotzt oder die sichere Livebank By-Tor And The Snow Dog mit tollen Improvisationen.
Die Songs des recht brav produzierten Debütalbum profitieren enorm vom rauhen Sound und den teilweise erheblichen Improvisationen, vor allem im Medley The Working Man / Finding My Way inklusive einem umfangreichen Schlagzeugsolo des legendären Professors, das bis zum letzten Konzert 2015 in vielfachen Variationen bei keinem Rush Konzert fehlen durfte.
Rauh und ungehobelt
Die kürzeren Songs wie die knackig hardrockigen Anthem, What You’re Doing, der zweite von 2112 stammende Song Something For Nothing sowie das wunderbar verträumte, legendäre Lakeside Park füllen die Lücken sehr gut aus und formen insgesamt eine hervorragende erste Liveplatte am Vorabend der Progphase dieser unglaublichen Band. Sie kommt rauh und ungehobelt daher, mit einem Geddy Lee der noch problemlos alle stimmlichen Höhen erklimmt.
All The World’s A Stage bietet eine repräsentative Werkschau der ersten Jahre und man mag kaum glauben, dass hier erst die aller, allerersten Schritte in der mit Highlights so reichbestückten Karriere der Kanadier begangen wurden.
Endgültig im Rampenlicht der Rockwelt
Wie sie auch später retrospektiv den von Shakespeare zitierten Albumtitel in Limelight auf Moving Pictures aufgriffen („all the world’s a stage, and we are merely players“), beweisen sich Rush schon hier als exzellente Darsteller auf ihrer selbst erschaffenden Bühne.
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