Agrypnie – Nachgefragt bei Torsten Hirsch – Interview
Nach dem mich das neue Werk Metamorphorsis mal wieder überzeugt hat, musste ich unbedingt Agrypnie-Mastermind Torsten Hirsch ein paar Fragen zum neuen Album stellen. Wir erfahren, wie er mit der Covid-Krise umgegangen ist und wie wichtig ihm die Auswahl der Gastsänger ist.
Frank (Soundmagnet.eu): Hey Torsten, ich bin von Metamorphosis wirklich begeistert. Meiner Meinung nach hast du/habt ihr den Synthieanteil in den Songs ein wenig gedrosselt und den Hauptaugenmerk auf das Gitarren- und Schlagzeugspiel gelegt. Gibt es einen Grund, warum das Album progressiver als die Vorgänger ausgefallen ist?
Torsten (Agrypnie): Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob das Album so viel progressiver als die Vorgängeralben geworden ist. Andererseits mache ich mir um ehrlich zu sein um solche Dinge allerdings auch überhaupt keine Gedanken. Songwriting ist bei mir reine Gefühlsangelegenheit, ich setze mich nicht mit einer klaren Vorstellung im Hinterkopf hin, was für eine Art von Song ich nun schreiben werde. Das ganz passiert vollkommen aus dem Bauch heraus und ich lass mich beim Schreiben eines Songs quasi irgendwie… treiben…
Frank: Apropos Schlagzeugspiel. Mit Flo von den Labelkollegen Theotoxin, hast du einen neuen saumäßig guten Schlagzeuger am Bord. Kennt ihr euch schon länger oder kam der Kontakt durch das Label zustande?
Torsten: War Flo auch mit im Songwriting involviert? Flo kenne ich schon etwas länger und wir haben uns bei einen gemeinsamen Gig kennengelernt. Nicht nur, dass wir uns damals auf Anhieb sehr gut verstanden haben, ich war auch extrem von der Art und Weise beeindruckt, wie er Schlagzeug spielt… Sowohl was die grundsätzlichen Fähigkeiten angeht, als auch seinem spielerischen Stil. Wir sind uns im Lauf der Zeit immer wieder bei Konzerten über den Weg gelaufen und in dem Moment in dem es galt, einen neuen Schlagzeuger in die Band zu holen, ist Flo meine erste Wahl gewesen. Ich habe Flo die vorproduzierten Songs zwar inklusive komplett programmierten Drums zukommen lassen, aber letzten Endes waren diese Drums nur als grobe Richtlinie zu verstehen gewesen (im Sinne von „An Stelle XY kommt ein Blastbeat“). Flo hat dann im Studio alles entsprechend so eingespielt, wie es seiner Spielweise entspricht. Insofern ist er beim Songwriting involviert gewesen, auch wenn es sich auf die Schlagzeugspuren begrenzt.
„Ich habe definitiv meine positiven Aspekte aus dieser Lage gezogen.“
Frank: Die letzten 1,5 Jahre hält die Welt auf Grund der Covid-19 Pandemie den Atem an. Hat das Chaos und die Isolation vom letzten Jahr, auch Auswirkung auf die Texte oder die Musik gehabt? Wie ist es dir/der Band in dieser schweren Zeit gegangen und konntest dem Negativen auch etwas Positives abgewinnen?
Torsten: Nun ja, ich werde sicherlich keinen Song über die Pandemie schreiben, aber spurlos ist dieses ganze Ereignis natürlich auch an mir nicht vorbei gegangen. Das ist weniger auf die „Isolation“ durch die Lockdowns bezogen (ich kann sehr gut sehr viel Zeit alleine verbringen) oder dem grundsätzlichen Respekt (Respekt, keine Angst) gegenüber einer potentiellen Ansteckung (um damit nicht mir nahestehende Personen anzustecken), sondern vielmehr auf bspw. die Veränderungen innerhalb der / die Auswirkungen auf die Gesellschaft etc. bezogen.
Und Ereignisse, die einen (größeren) Einfluss auf mein Leben haben bzw. Umstände und Gedanken die mich beschäftigen, fließen meistens auf irgendeine Art und Weise in meine Musik und meine Texte ein. Die Pandemie bildet da sicherlich keine Ausnahme. Ansonsten erging es mir aber den Umständen entsprechend gut, weshalb ich auch nicht klagen möchte. Auf meinen Beruf hat die Pandemie keine Auswirkungen und ich kann zu 100% vom Home Office aus arbeiten. Ich musste mir also glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt Sorgen um meinen Lebensunterhalt machen, was leider viele nicht von sich behaupten können. Ich habe definitiv meine positiven Aspekte aus dieser Lage gezogen. Es bleibt einem auch wohl oder übel nichts anderes übrig, um nicht unentwegt über das alles abzukotzen. Ich glaube beispielsweise das die Lage dazu geführt hat, dass ich das nächste Album, rein auf die Gitarren bezogen, sehr viel schneller als sonst geschrieben habe. Wir konnten deshalb auch bereits im August, pünktlich zum Release von Metamorphosis, das Schlagzeug für das nächste Album im Studio aufnehmen. Auch die mit der Pandemie zwangsläufig einher gegangene Entschleunigung des Lebens habe mir zum Teil wahrscheinlich mal ganz gut getan. Jetzt darf der Pandemiespuk aber auch gerne sein Ende finden, es reicht dann jetzt mal wirklich.
Frank: In Bezug auf die Lyrics. Wie viel Anteil hat hier Marcel von Nocte Obducta? Habt ihr auch schon zusammen Texte verfasst oder benutzt ihr euch gegenseitig als Inspiration? Was können wir uns unter der Metamorphosis vorstellen?
Torsten: Marcel hat lediglich den Text zu Melatonin verfasst. Grundsätzlich schreibe ich alle Texte selbst, habe aber ähnlich wie bei den Gastsängern immer mal wieder einen Gast dabei, der einen Text beisteuert (unter Anderem Alboin von Eïs und Eviga von Dornenreich). Von unserer gemeinsamen Band Nocte Obducta abgesehen, endet die musikalische Zusammenarbeit zwischen Marcel und mir an der Stelle dann auch (vorerst) schon wieder. Marcel hat aber bereits mehrfach für Agrypnie Texte verfasst und bekommt von mir jedes Mal eine Art „ganz grobes Storyboard“, worum es sich in dem Song ungefähr dreht und in welche Richtung somit der Text gehen sollte/könnte. Auf dieser Basis schreibt dann Marcel seine eigene Interpretation der Thematik als Text nieder. Bei Nocte Obducta schreibt Marcel wiederum alle Texte und ich bin „lediglich“ ausführendes Organ.
„Ganz allgemein gesprochen geht es in Agrypnie immer wieder auch um meine persönlichen Entwicklungsstufen und Lebensabschnitte.“
Gegenseitige Inspirationsquellen sind wir sicherlich nicht würde ich mal behaupten. Obwohl wir uns natürlich mit beiden Bands in ähnlichen musikalischen Gefilden bewegen, liegen wir sowohl musikalisch, als auch textlich ein ganzes Stück auseinander. Bezogen auf den Albumtitel: Alle stehen mit persönlichen Begebenheiten in Verbindung. Ich verliere grundsätzlich aber nur sehr ungern Worte über meine Texte, die Konzepte und vor allen Dingen die verschiedenen Umstände, die sich dahinter befinden. Jeder der meine Musik hört, die Texte liest und sich mit dem Artwork beschäftigt, soll seine persönlichen Schlüsse daraus ziehen. Ganz allgemein gesprochen geht es in Agrypnie immer wieder auch um meine persönlichen Entwicklungsstufen und Lebensabschnitte. Metamorphosis spiegelt einen Teil dieser Reise wieder. Von persönlichen Faktoren abgesehen, passt der Titel retrospektiv betrachtet auch aus vielen anderen Gründen mittlerweile wie die Faust aufs Auge. Wir haben bspw. Flo neu an Bord, mit dem ich mittlerweile auch eng befreundet bin. Wir haben bei AOP Records unterschrieben und somit zum ersten Mal in der 17 jährigen Bandgeschichte die Plattenfirma gewechselt. Und um einen letzten Punkt zu nennen, hat mich die Um- und Auseinandersetzung mit dem Albumkonzept dieses Mal auf eine ganz neue Ebene sowohl physisch als auch psychisch enorm gefordert.
Frank: Lass uns über den Song Skulptur aus Eis reden, der für mich zu euren intensivsten Songs in der Bandhistorie gehört. Besonders der markante Gastgesang von C.S.R von Schammasch macht den Song so besonders. Hattest du sofort C.S.R im Sinn? Erzähle mal wovon dieser Song handelt und wie lange hast du gebraucht den Song zu schreiben?
Torsten: Ich habe tatsächlich C.S.R bei diesem Song direkt als Gastsänger im Kopf gehabt. Ich suche mir Gastsänger prinzipiell unabhängig der Songs aus und mache mir erst relativ spät Gedanken darüber, welche Persönlichkeit und welcher Gesang zu welchen Song passt. In diesem Fall war die Verbindung für mich relativ schnell ersichtlich. Es klingt schwer nach Klischee, aber meistens arbeite ich abends und nachts an Songs. Ich schätze die dann herrschende Ruhe, denn die Straße vor meiner Wohnung als ständige Hintergrundbeschallung wahrzunehmen (obwohl ich mich daran lange schon gewöhnt habe). Ansonsten muss ich hinsichtlich des musikalischen Entstehungsprozesses leider sagen, dass sich dieser wirklich sehr unspektakulär gestaltet… Ich glaube aber, bei vielen anderen Gitarristen sieht das höchstwahrscheinlich genauso aus. Im Prinzip wird einfach gejammt bis etwas brauchbares rauskommt und diese Idee dann weiter verfolgt und ausgearbeitet. Früher oder später wir dann aus einem einfachen Riff ein kompletter Song.
Das ist es dann auch schon, zumindest vereinfacht dargestellt. Ich für meinen Teil habe außerdem absolut überhaupt keine Kenntnis von Harmonielehre oder ähnlichem, weshalb ich meine Songs auch komplett ohne „handwerklicher Techniken“ schreibe. In den allermeisten Fällen passiert alles wie bereits erwähnt komplett aus dem Bauch heraus, ohne das ich im Vorfeld Ideen oder Vorstellungen im Kopf haben, was ich nun schreiben werde oder möchte. Ich merke ab einem gewissen Punkt aber natürlich schon, in welche Richtung sich der Song entwickelt und entsprechend arbeite ich dann dahingehend weiter. Ganz planlos läuft das alles also nicht, nur für den Fall das der Eindruck entstehen könnten.
Es gibt bereits Pläne für neue Werke
Frank: Hast du alle vier Gastsänger schon vorab im Kopf gehabt oder kam die Eingebung während des Schreibprozesses? Mit welchen Gastsängern/Musikern würdest du gerne mal in der Zukunft zusammenarbeiten?
Torsten: Im Prinzip habe ich alle Gastsänger mehr oder weniger bereits im Vorfeld im Hinterkopf gehabt. Ich kenne alle persönlich und das zum Teil schon seit vielen Jahren. Sie sind sowohl hinsichtlich ihrer Persönlichkeiten, als auch ihres musikalischen Schaffens von Bedeutung für mich, was für mich die Kriterien für Gäste auf meinen Alben ausmacht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich mir nicht vorstellen einen Gast auf einem Album zu haben, den ich nicht persönlich kenne und schätze. Auch wenn der Zeitpunkt noch extrem früh ist, habe ich bereits einen Gast für das nächste Agrypnie Album in petto und über diesen freue ich mich wirklich sehr. Bezogen auf die Zusammenarbeit mit anderen Musikern kann ich ganz geheimnisvoll zu Protokoll geben, dass ich gerade zusammen mit einer Musikerin ein gemeinsames Projekt plane. Hierzu gibt es aber erst dann offizielle Details, wenn es wirklich richtig spruchreif ist.
Frank: Der Release des Albums hatte sich auf den 06.08. verzögert. Was waren die Gründe für die, zum Glück, nur kurze Verzögerung?
Torsten: Das hatte lediglich was mit den Presswerken zu tun.
Frank: Was war deine Intention von Supreme Chaos Records zu AOP Records zu wechseln?
Torsten: Es war schlicht und ergreifend Zeit für einen Tapetenwechsel.
„Ich habe grundsätzlich ein besonderes Verhältnis zu Österreich, da ich dort schon sehr oft gespielt habe“
Frank: Ist eine mögliche Tour in Planung? Wenn ja, können sich die österreichischen Fans auch freuen? Gibt es für dich eine besondere Erinnerung an einem Auftritt in Österreich?
Torsten: Live zu spielen ist natürlich immer das Ziel. Ich habe grundsätzlich ein besonderes Verhältnis zu Österreich, da ich dort schon sehr oft gespielt habe. In der Vergangenheit war ich darüber hinaus in einer österreichischen Band als Gitarrist tätig und es gibt einfach viele sehr coole und großartige Menschen und Bands dort, die ich kenne und sehr schätze. Eine Tour ist angedacht und Österreich ist dann natürlich ein absolutes Muss als Zwischenstop!
Frank: Unsere Leser interessiert auch immer etwas Gossip. Gibt es für dich außer der Musik, noch andere Hobbies, die du mit Leidenschaft und Spaß betreibst?
Torsten: Ich gehe normalerweise regelmäßig ins Gym, was aber aufgrund der Pandemie die letzten Monate natürlich unmöglich war. Ich stehe sehr häufig auch vor und nicht nur auf der Bühne, lese ab und an mal ein Buch, baue Gitarren um und treffe mich mit meinen Leuten und meiner Familie. Eine Serie oder einen Film ziehe ich mir auch schon Mal rein. Damit ist meiner Freizeit dann auch ausgefüllt.
Frank: Zum Abschluss noch eine musikalische Frage. Welche Band bzw. welche Musik beeinflusst dich aktuell und wo würdest du gerne mal Gastmusiker mitwirken wollen und warum?
Torsten: Ich sträube mich ein wenig davor, die Frage nach der Beeinflussung zu beantworten. Sicherlich wird man als Musiker immer auch ein wenig von der Musik und den Künstlern beeinflusst, die man sich selbst regelmäßig anhört. Es ist aber nicht so, dass ich mich daraus resultierend hinsetze und mir vornehme einen Song zu schreiben, der nach einer bestimmten anderen Band klingt. Das übersteigt davon abgesehen außerdem meine Fähigkeiten 😀
Gegenwärtig höre ich darüber hinaus auch relativ wenig Metal und kenne fast überhaupt keine Neuveröffentlichungen.
Die Frage nach dem Gastmusiker ist dafür umso interessanter und egal wie viele Gedanken ich mir darüber mache, ich komme am Ende bei Einar Selvik oder einem Komponisten wie bspw. Hans Zimmer raus (man darf ja mal träumen). Ich bin ein sehr großer Fan von Wardruna bzw. von Soundtracks aller Art und habe auch ein Studioprojekt ins Leben gerufen, mit dem ich mich musikalisch in dieser Richtung bewegen möchte. Darüber hinaus würde mich ein Gastbeitrag abseits des Metals höchstwahrscheinlich mehr reizen, als mich in den mir bekannten Gefilden zu bewegen.
Album Review – Agrypnie – Metamorphosis