träumen von aurora – Nachgefragt bei träumen von aurora – Interview
Nach der Veröffentlichung ihrer beiden mehr als beachtenswerten Alben luna und aurora standen uns die Progressive Black Metaler von träumen von aurora Rede und Antwort darüber, was in den letzten Jahren so vor sich ging, was gerade los ist und was die Zukunft so bringen soll.
Patrick (Soundmagnet.eu): Zuallererst Danke für eure Zeit. Seit eurem letzten Album sind einige Sommer ins Land gezogen. Was habt ihr in der Zwischenzeit so gemacht? Und was hat euch dazu bewogen, das Projekt genau jetzt wieder voranzutreiben?
TVA (träumen von aurora): Hi Patrick! Die Zeit nehmen wir uns doch sehr gerne. Vielen Dank für das Review und das Interview!
Es stimmt, rekonvaleszenz kam im Mai 2013 raus, das ist jetzt 9 ½ Jahre her. Das Projekt lag tatsächlich nie auf Eis. Wir haben immer unser Möglichstes getan, um neues Material zu veröffentlichen. Es gab allerdings einige Herausforderungen und Rückschläge beim Aufbau eines stabilen Line-ups. Deshalb haben wir irgendwann die Entscheidung getroffen, zumindest eine Zeit lang zur Studioband zu werden, um luna und aurora schnellstmöglich fertigzustellen. Durch die Hilfe eines Freundes, Marek Peperkorn von KRATR, waren die Gitarren innerhalb kürzester Zeit aufgenommen, und unser Schlagzeuger Alexander Häger hat kurzerhand den Bass eingespielt.
Ein Doppelalbum wäre möglich gewesen, allerdings hätten wir uns dann viele Gedanken über die Gestaltung machen müssen
Patrick: Ich gratuliere euch an dieser Stelle zu zwei wirklich großartigen Alben. Wie kam es denn dazu, dass ihr euch entschieden habt zwei Alben am selben Tag zu veröffentlichen und nicht zeitversetzt oder als Limited Edition?
TVA: Danke für die netten Worte! Es freut uns sehr, dass luna und aurora solchen Anklang finden. Wir hatten uns tatsächlich über unterschiedliche Veröffentlichungsweisen ausgetauscht, bandintern und mit Trollzorn Records, aber letztendlich gehören diese Alben als Komplementärwerke zusammen und werden idealerweise nacheinander gehört, weshalb uns aus künstlerischer Sicht die gleichzeitige Veröffentlichung korrekt erschien.
Ein Doppelalbum wäre möglich gewesen, allerdings hätten wir uns dann viele Gedanken über die Gestaltung machen müssen: Wie hätte das Cover ausgesehen? Diagonal gesplittet, halbdiagonal? Wo hätte man die Illustrationen platziert? Wäre das Booklet doppelt so lang gewesen, mit dunklen Hintergründen in der ersten und hellen in der zweiten Hälfte? Hätten die Discs nebeneinander komisch ausgesehen? Was ist mit dem Inlay?
Davon abgesehen, finde ich persönlich zwei separate Alben vom Gefühl her einfach besser.
Raus aus dem Studio – Rauf auf die Bühne
Patrick: Die Musiker wurden seit rekonvaleszenz komplett ausgetauscht. Wie kam es dazu und wie habt ihr euch letztlich gefunden?
TVA: Wie sagt man so schön? Zunächst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu. Nachdem im Anschluss an das rekonvaleszenz-Release mehrere Mitglieder ausgestiegen sind (aus jeweils unterschiedlichen Gründen), haben wir versucht, die Positionen neu zu besetzen und weiterzumachen wie gewohnt, das heißt: eine sechsköpfige Band zu bleiben, die wöchentlich probt.
Immer, wenn wir endlich vollzählig waren und es einigermaßen zu funktionieren schien, musste jedoch einer der Gitarristen wegen sich verändernder Lebensumstände wie etwa Umzug fürs Studium oder Hausbau und Nachwuchs aussteigen. Deshalb dann die Entscheidung mit der Studioband. Innerhalb der letzten Monate ist es uns jedoch gelungen, wieder zu einer sechsköpfigen, regelmäßig probenden Band zu werden, die live spielen will. Über Anfragen freuen wir uns!
Patrick: Die beiden Alben unterscheiden sich thematisch dahingehend, dass luna im Winter spielt, während aurora den Frühling ankündigen soll. Wie genau darf man das verstehen, bzw. wie waren hier eure Gedankengänge beim Songwriting?
TVA: Die beiden Alben erzählen gewissermaßen eine Geschichte von Melancholie und Katharsis, denen Hybris und Normalisierung folgen. Eine emotionale Sinuskurve, wenn du so willst. Die erste Hälfte spielt, was die Lyrics betrifft, in Schnee und Eis, die zweite zunächst in einem urbanen Setting, anschließend erneut in der nun frühlingshaften Natur. Wir hoffen, dass wir die Jahreszeiten und Stimmungen auch musikalisch einigermaßen getroffen haben. Unser Ziel war es hierbei, die richtige Balance zu finden zwischen Kontrast und Homogenität – Yin und Yang statt Schwarz und Weiß, weißt du? Das scheint uns gelungen zu sein: Bisherige Reviews deuten darauf hin, dass die Alben als Gesamtwerk betrachtet (und zuweilen sogar als Doppelalbum bezeichnet) werden, der Wandel in den Kompositionen aber dennoch wahrnehmbar ist.
Für maximalen kommerziellen Erfolg würde man heute sicherlich eher eine Reihe von Singles mit professionell produzierten Videos herausbringen als zwei komplementäre Konzeptalben. Aber passt das zu uns?
Patrick: In den letzten Jahren, seit eurem letzten Album hat sich die Art wie Musik gehört und wahrgenommen wird gewaltig verändert. Gab es hier im Vorfeld der Veröffentlichung irgendwelche besonderen Unterschiede im Vergleich zu vor neun Jahren?
TVA: Für uns nicht. Für maximalen kommerziellen Erfolg würde man heute sicherlich eher eine Reihe von Singles mit professionell produzierten Videos herausbringen als zwei komplementäre Konzeptalben. Aber passt das zu uns? Bei unserem Space-Metal-Nebenprojekt Beyond Martian Skies könnte ich mir diese moderne Art der Veröffentlichung vorstellen, bei träumen von aurora bleiben wir sehr wahrscheinlich bei klassischen Alben.
Patrick: Aktuell sieht es ja eher danach aus, dass das Corona Thema im Wesentlichen erledigt ist. Gibt es von eurer Seite her Pläne in der nächsten Zeit auf Tour zu gehen oder allgemein regelmäßig live zu spielen?
TVA: Wir würden gern regelmäßig live spielen. Es gab bereits ein paar Anfragen und ein paar eigene Ideen dazu, aber leider gibt es aktuell nichts anzukündigen. Wir würden uns besonders freuen, mit Black-Metal-, Postrock- oder Prog-Metal-Bands die Bühne zu teilen.
Schwer einzuordnen
Patrick: Die Black Metal Szene „genießt“ den Ruf, dass die Anhängerschaft nicht unbedingt offen für Weiterentwicklungen – sowohl musikalisch als auch produktionsmäßig – ist. Wie nehmt ihr als Progressive Black Metaler die Szene wahr und wie werdet ihr von der Szene wahrgenommen?
TVA: Wir haben den Kontakt zur „Szene“ durch unsere lange Abwesenheit ein wenig verloren, fürchte ich, deshalb fällt es mir schwer, da eine Einschätzung abzugeben. Bisher hatten wir den Eindruck, dass es zwar vereinzelt Stimmen gab, denen träumen von aurora nicht „true“ genug war, dass die meisten den frischen Wind jedoch begrüßen. Und das ist in meinen Augen auch die vernünftige Reaktion, schließlich gibt es bereits mehr klassische Black-Metal-Bands, als man je hören kann.
In einigen Reviews zu luna und aurora merkt man allerdings, dass unser Stil schwer einzuordnen ist. Ich erinnere mich an ein Review, in dem es praktisch um nichts anderes als eine Beschreibung dieses Stils ging. Vergleiche oder Anknüpfungspunkte sind sicherlich wichtig, aber dieses »Post« oder „Prog“ vor dem „Black Metal“ bedeutet nun mal, salopp gesagt, so etwas wie: „Ja, ich weiß doch auch nicht, was das ist, aber wenn du Black Metal magst, hör mal rein.“ Der Begriff des Post/Prog Black Metal heißt für mich also nicht unbedingt, dass es Black Metal ist, sondern dass es hinreichend offenen Black-Metal-Fans wahrscheinlich gefällt.
Patrick: Vorhin habe ich schonmal auf die veränderte Art des Musik Hörens hingewiesen. Diese wird ja von vielen als Fluch und Segen gleichzeitig bezeichnet. Einerseits kann dank Streaming de facto jeder seine Musik der ganzen Welt präsentieren, andererseits geht die Bezahlung der Musiker in Richtung null. Wie seht ihr das Thema?
TVA: Ich persönlich nutze Spotify nicht, kaufe Musik aber bis auf einige Ausnahmen im digitalen Format, beispielsweise bei Bandcamp. Ein Kompromiss, wenn man so will.
Klar, Spotify ist praktisch, man hat mit wenigen Klicks Zugriff auf praktisch jeden Song, aber aus Sicht der Künstler überwiegen, denke ich, die Nachteile. Auch vor Spotify gab es Möglichkeiten, als Musiker eine gewisse Reichweite zu generieren, aber durch solche Streamingplattformen verlieren Bands und Songs an Bedeutung. Musik wurde noch mehr zur Ware, als es ohnehin bereits der Fall gewesen war. Jeder Spotify-Nutzer bekommt vom Algorithmus seine individuellen Empfehlungen und bleibt in seiner musikalischen Blase; als Künstler taucht man dann ab und zu mit einem Song in einer Shuffle-Playlist auf, aber wer nimmt bewusst wahr, was er da hört, und beschäftigt sich mit der Band? Wer spricht mit einem Freund über dich oder empfiehlt dich weiter? Wenn dein nächster Lieblingssong vielleicht nur einen Klick entfernt ist, gibt es keinen Grund, sich Bandnamen oder Titel zu merken.
Patrick: Trotz dem aktuellen Streaming Hype, erlebt auch Vinyl seit einigen Jahren ein großes Revival. Seit ihr selbst auch Vinyl Sammler und habt ihr vor eure neuen Alben noch auf Vinyl herauszubringen?
TVA: Pläne dazu gibt es derzeit nicht, wir haben aber schon mehrfach gelesen, dass Vinyl gewünscht wird. Ich persönlich habe keinen Plattenspieler.
Patrick: Vielen Dank noch einmal für die aufgebrachte Zeit. Zum Abschluss darf ich euch noch um ein paar abschließende Worte an unsere Leserschaft bitten.
TVA: Vielen Dank auch von uns noch mal!
Abschließende Worte sind immer schwierig, aber vielleicht lohnt es sich, hier noch einmal dazu aufzurufen, uns für Konzerte anzufragen. Wir haben wirklich Bock, bald auf die Bühne zurückzukehren.
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