Grorr – Ddulden’s Last Flight – Album Review
Grorr – Ddulden’s Last Flight
Herkunft: Pau / Frankreich
Release: 26.03.2021
Label: ViciSolum Productions
Dauer: 44:18 CD, 44:45 Vinyl
Genre: Progressive / Math / Folk / Metal / Weltmusik
Noch nie zuvor etwas von Grorr gehört? Eigentlich schade, denn obwohl die Band nicht in mein sonst so Heavy-Metal-lastiges Beuteschema passt, hat sie mich schwer beeindruckt. Grorr sind in den heutigen festgefahrenen Musikstrukturen ein Lichtblick, vielleicht sogar eine musikalische Offenbarung.
Der Spagat zwischen Anspruch und Raserei
Gestartet sind die Franzosen im Jahre 2005 und haben von Anfang an ein breites musikalisches Spektrum verbunden. So treffen harter Metal auf folkloristische Instrumente, gepaart mit Klängen aus allen Teilen der Welt. Es mischen sich klarer Gesang mit Deathgrowls und Raserei trifft auf vertrackte progressive Strukturen. Gerne kann man hier auch den Begriff Math-Rock bemühen.
Klingt nach einem sehr schmerzhaften Spagat? Nein, alles verbindet sich zu einer eigenen Klangwelt, die sicherlich erst einmal prinzipiell Bereitschaft des Zuhörens erfordert, aber einem sofort Bilder in den Kopf zaubert. Somit wird dem Hörer das Tor geöffnet über die eigene Bilderwelt, die komplexen Strukturen nachzuvollziehen zu können.
Ein Storyboard wird gefüllt
Entsprechend dem musikalischen Konzept, wird auch seit dem ersten Album inhaltlich nichts dem Zufall überlassen. So verfolgen alle Alben immer eine Geschichte, eine soziale Fabel, die als erstes von der Band, gleich einem Storyboard, erstellt wird und dann musikalisch gefüllt und ausgemalt wird.
Über die Jahre und die nun schon vier Alben ist trotzdem eine deutliche musikalische Entwicklung auszumachen. War das erste Album Pravda noch eine Mischung aus progressiven Strukturen und Death-Metal-Klängen mit exotischen Instrumentaltupfern, zeigte sich bereits bei den Nachfolgern Anthill und The Unknown Citizens, dass der Anteil an roher musikalischer Gewalt mehr und mehr Einflüssen aus folkloristischen und cineastischen Klängen Platz machen musste.
Als 2016 der damalige Hauptvokalist die Band verließ, wurden auch für das neue Album Ddulden’s Last Flight die akustischen Weichen neu gestellt. Ohne jetzt von einem eingängigen Album zu sprechen, spürt man deutlich die Veränderung im musikalischen Mix, hört auch sofort die neue Art und Weise zu singen von Franck Michel heraus.
Acht Kapitel und zwei Appetithäppchen
Auch Ddulden’s Last Flight ist wiederum ein Konzeptalbum. Erzählt wird die Geschichte eines heranwachsenden Helden, das Reifen einer Persönlichkeit unter dem Eindruck und unter dem Druck der Gesellschaft. Musikalisch wurde die Geschichte als Abenteuer, faktisch als Soundtrack des Lebens, in acht Songs gestaltet.
Trotzdem des festen Albumkörpers überraschen uns Groor vorab mit zwei Singleauskopplungen, die exemplarisch für die musikalische Spannweite auf dem Album stehen. Das ist einmal HIER Orang Lao, welches lediglich auf der CD enthalten ist und mit asiatischen Melodien untermalt, in seinem Verlauf zu einem wahren Monster mutiert.
Das HIER folgende The Painter, wird dagegen nur auf Vinyl veröffentlicht werden. Auch dieser Track beginnt mit ungewöhnlicher Instrumentierung, geradezu harmlos, nimmt metallische Züge und eine immer abgefahrene Rhythmik und Dynamik an. Beide Kompositionen stehen in Aufbau, Klang, Umsetzung und Anspruch symbolisch für das ganze Album Ddulden’s Last Flight.
Letzte Worte für Genießer
Deshalb schließe ich hier auch das Review, denn es ist genug geredet und alles gesagt.
Für die Genießerfraktion soll noch erwähnt sein, dass solch ein Album natürlich auf Vinyl gehört.
Freunde der Platte haben auf der Bandcamp die Auswahl zwischen einer schwarzen und multifarbenen Ausgabe. Beides je mit lächerlichen 150 Stück bedacht. Seid schnell oder jammert dann später!
Fazit
Auch wenn es dem Hörer nicht immer leicht gemacht wird, ist Ddulden’s Last Flight ein musikalisches Meisterwerk, in meinen Augen schon Tonkunst. Die tödlich vertrackte Härte der früheren Alben ist zugunsten weltlich folkloristischer Einflüsse zurückgewichen, aber nicht verschwunden. Grorr haben das Talent nicht nur Emotionen zu vertonen, sondern auch plastische Bilder in den Geist zu malen. Ich verneige mich und vergebe 9 / 10.
Line Up
Franck Michel – Gesang
Yoann Estingoy – Gitarre
Sylvain Kansara – Samples, Keyboards, Maultrommel, Sitar
Christine Lanusse – Bass
Jeremy Chabanaux – Schlagzeug
Tracklist
01. Ddulden Dreams Beyond The Peak
02. Sky High Streaming
03. Hit The Ground Streaming
04. Sirens Call Streaming
05. Ddulden Flies To His Fate Streaming
06. Blackened Rain Streaming
07. Newborn Whirlwind Streaming
08. Last Flight Streaming
09. Orang Lao (nur auf CD)
09. The Painter (nur auf Vinyl)
Links
Bandcamp Grorr
Facebook Grorr
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