COLDUN – Nachgefragt bei Steffen Thümmel – Interview
Als Solomusiker ist Steffen Thümmel alias Coldun schon länger unterwegs. Das zweite Album Collapsing Polarities war bereits ein Bandprojekt. Nun brachten die vier Herren aus Sachsen, die seit über 20 Jahren zusammen musizieren, das dritte Album Grand Sun Ritual an die HörerInnen. Im Zuge der Veröffentlichung des Atmospheric Progressive Death Metal Epos Grand Sun Ritual hatte ich die Gelegenheit, dem kreativen Kopf der Band, Steffen Thümmel, Fragen zu stellen.
Ingo (Soundmagnet): Hallo Steffen, herzlichen Dank für die Zeit, mir ein paar Fragen zu beantworten. Die Arbeit an Grand Sun Ritual hat fast zwei Jahre in Anspruch genommen. Hast du spezielle Ups und Downs während des Arbeitsprozesses in Erinnerung?
Steffen (Coldun): Hallo Ingo und danke für die Möglichkeit dieses Interviews. Die Arbeiten am neuen Album haben eigentlich schon direkt nach dem vorhergehenden Album begonnen – also 2014. Der Schaffensprozess dauerte also noch länger und selbst für meine Verhältnisse hat es sich lange angefühlt bis ich endlich das Gefühl hatte es fertig machen zu können. In der gesamten Zeit ist natürlich viel passiert.
Das neue Album ist ja zum überwiegenden Teil in einer Bandstruktur entstanden und nicht noch einmal als Solo-Album. Im Wesentlichen waren aber schon meine immer mal wieder eingefügten kleinen Kunstpausen für die lange Zeit verantwortlich und vor allem der Luxus, dass ich mich auch von nichts gedrängt gefühlt habe. Bei Musik, die wenig mit Trends oder kurzfristigen Moden zu tun hat, dachte ich einfach wir lassen uns mal etwas treiben bis es von alleine fertig werden will. Hat bis auf einige doch nötige Kraftakte zum Ende der 7-Jahres-Spanne im Prinzip auch funktioniert.
Wie das Album auf Resonanz beim Hörer stösst
Ingo: Thematisch handelt The Forest and the Soul von Naturverbundenheit. Generell hat Grand Sun Ritual einen spirituellen Charakter, wie ich finde. Siehst du diese Spiritualität auch in deiner Hörerschaft, erreicht diese deine Hörer?
Steffen: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich finde es auch nicht schlimm das nicht wirklich zu wissen. Sicher wird es einige geben, die sich beim Hören und vielleicht mitlesen ähnlich zu mir einschwingen können auf etwas, was ich beim Schreiben im Sinne hatte. Wie hoch der Anteil der Hörerschaft aber ist, kann ich nicht einschätzen. Ich denke ein gewisser Hang zu Gedanken und Gefühlen die über die Farbe des Autos und das Erscheinungsdatum des neuesten Videospiels hinausgeht ist bei vielen, die unsere Musik anspricht, zu verspüren.
Bei Musik wie von Scooter dürfte eher das profane und recht archaische Partybedürfnis getriggert werden und bei Musik wie auf Grand Sun Ritual kommt man wohl eher etwas ins schwelgen und gedanklichen Abdrifftens von Alltag. Und genau da steht man aus meiner Sicht bereits an der Schwelle des oft zitierten Spiritualismus und blickt ins herrliche und beruhigende Nichts. Wenn ich selbst die Kopfhörer aufhabe und mal wieder vorm inneren Auge an dieser Schwelle stehe und mich rechts und links umschaue, könnte ich mir einbilden, ab und an andere Hörer zu sehen, welche mich fragend anblicken ob sie noch ein Schrittchen weitergehen sollten und doch lieber den Kopfhörer wieder abnehmen und aufs Klo gehen sollten. Ist ne schwere Entscheidung – hängt von der Dringlichkeit beider Bedürfnisse ab.
Über die Entstehung des Artwork
Ingo: Ein wichtiges Element ist auch das ausgezeichnete Coverartwork. Es strahlt Wärme aus und übt durch die goldene Farbgebung eine gewisse Faszination auf den Betrachter aus. Wie kam es zustande? Bist du mit der Idee auf den Künstler zugegangen oder war es seine Idee?
Steffen: Ja, mir gefällt das Artwork auch sehr gut. Es ist schlicht aber löst genau die richtige Empfindung beim Betrachten aus, wie Du schon schreibst. Die Idee zur Umsetzung hatte die Künstlerin selbst. Wir hatten nur grobe Vorstellungen und die Musik zum Anhören. Ich hoffte genau das reicht und es war zum Glück so. Man sollte sich bei sowas auf die Suche nach der einfachsten Lösung machen, die ist nicht selten am treffendsten. Dass der Titel hier natürlich die Richtung schon klar vorskizzierte hat wohl genauso geholfen wie der Künstlerin keine weiteren Vorgaben zu machen.
Wenn alles passt und auch auf direktem Weg zum Erfolg geführt hat, kann man dann im Nachgang immer noch ausufernd darüber philosophieren, wie langwierig und intellektuell herausfordernd die selbstzerstörerische Suche nach genau diesem Artwork war und wie die wochenlangen schlaflosen Diskussionsnächte über den Sinn und Ausdruck des Bildes alle beteiligten fast dazu gebrachten hätten zur Entspannung nachmittags 2 Stunden RTL2 zuschauen. Zum Glück kam es anders und in der Schlichtheit und klaren Präsenz des Covers haben wir uns sofort alle mit dem Album wiedergefunden.
Ingo: Gab es Auslöser für deinen Hang zur Spiritualität? Ich denke da an ein bestimmtes Ereignis oder ist diese Teil eines Transformationsprozesses, der fortwährend andauert? Wie siehst du das?
Steffen: Hier möchte ich nicht allzu viel dazu verlieren, denn ich bin auf dem Weg allenfalls am Anfang. Es ist ein fortlaufender Prozess seit Jugendtagen der auch einige Schlüsselerlebnisse hatte, der aber auch immer mal wieder, selbst über Jahre, geruht hat. In Phasen wo einen der Alltag einholt oder auch der oberflächliche Erfolg auf irgendeiner Lebensebene überheblich macht, kann es auch schnell mal wieder ein paar Schritte zurückgehen.
Manchmal genieße ich Dinge obwohl ich weiß das sie eigentlich nicht von Wert sind und manchmal wird’s sogar noch schlimmer. Aber da gestehe ich mir als Mensch auch das Recht zu Fehler zu machen. Ich achte nicht auf die Geschwindigkeit dieser Entwicklung, ich versuche nur die langfristige Richtung nicht aus dem Blick zu verlieren.
Ein Produkt und ein Prozess der Reife
Ingo: Gegenüber dem Vorgänger Collapsing Polarities klingt Grand Sun Ritual merklich gereift. Hast du den Eindruck, dass diese Reife noch ausgebaut werden kann als Teil ständiger Entwicklung?
Steffen: Die Entwicklungen im Klang und den Songstrukturen von Collapsing Polarities zu Grand Sun Ritual sind ganz klar auf den Umschwung vom Solo-Projekt zu einer Bandstruktur zurückzuführen. Gerade im Bereich des Drummings und der Gitarren ist das ganz deutlich. Mir gefällt diese Entwicklung sehr, denn ich wollte nicht noch einmal die gleiche CD machen wie 2014, auch wenn mir diese nach wie vor sehr gefällt. In wie weit diese Entwicklung noch weitergeht oder wieder woanders hin, kann ich nicht sagen. Das überlassen wir wieder ein Stück weit der Zeit.
Ingo: Der Sound von Grand Sun Ritual ist phantastisch, es klingt voller und runder als sein Vorgänger. Greg Chandler hat beim Mix hervorragende Arbeit geleistet. Siehst du da noch weiteren Raum zur Verbesserung, eventuell neue Elemente, die du noch integrieren möchtest?
Steffen: Ich bin mit dem Sound auch zufrieden. Es war das erste mal überhaupt, dass ich eine CD, auf der ich maßgeblich beteiligt bin, nicht selbst gemischt habe. Beim Mastering habe ich schon vorher ab und an mit anderen zusammengearbeitet. Daher hatte ich auch etwas Angst, ob der Schritt richtig war. Nach kurzer Zeit hörte ich aber schon, dass er absolut richtig war.
Nach den vielen Jahren Arbeit an dem Album hatte ich keine Ohren mehr für ein frisches Mixing und auch meine Technik und Fähigkeiten dafür waren nicht mehr zeitgemäß. Greg Chandler hat an der richtigen Stelle die Sache übernommen und mit unabhängigen Ohren die richtige Mischung eingestellt. Raum für zukünftige Verbesserungen oder zumindest interessante Veränderungen gibt’s es sicher immer aber … du weißt schon…das überlassen wir erstmal der Zeit.
Ingo: COLDUN begann als Soloprojekt und wurde im Laufe der Jahre zu einer Band ausgebaut. Auf die ein oder andere Art und Weise habt ihr ja schon lange zusammengearbeitet. Wie kam es zu der Entscheidung, sich als Band zu sehen und nicht mehr primär als Soloprojekt?
Steffen: Es kamen zwei Entwicklungen zeitlich passend zusammen. Zum einen hatte ich schon auf der 2014er Scheibe das Gefühl gerne mehr Musiker zu involvieren, um so den musikalischen Horizont zu erweitern. Zum anderen hatten wir uns gerade mit unserer vorhergehenden Band aufgelöst und so stand eh eine wie auch immer geartete neue gemeinsame musikalische Unternehmung mit 2 der Mitstreiter im Raum.
Nach einigen Überlegungen habe ich dann die 2 Musiker aus der aufgelösten Band sowie den Gitarristen, der schon auf den ersten 2 COLDUN Alben die Solos eingespielt hatte, gefragt ob sie Interesse hätten bei COLDUN als Band einzusteigen und ein neues Album auf den Weg zu bringen. Freunde waren wir eh schon. So kams.
Möglichkeiten zu Liveauftritten?
Ingo: Bedingt durch das aktuelle Pandemiegeschehen sind die Möglichkeiten zu Liveauftritten nicht möglich. Habt ihr vor, Grand Sun Ritual live zu präsentieren, sobald es möglich ist? In welchem Rahmen?
Steffen: Die Frage ist nicht so leicht beantwortet bzw. derzeit noch unklar. Es gab noch nie einen Liveauftritt von COLDUN. Die Möglichkeit dazu gäbe es ja eh erst seit wir nun ein Bandgefüge sind, wobei zu einer vollständigen Livebesetzung auch noch etwas fehlte. Aber wie auch immer – es steht noch nichts fest.
Ingo: Im vergangenen Jahr gab es sehr gute Livestreams, die live im Studio oder Probenraum gefilmt und den Fans präsentiert wurden. Wie empfindest du dieses Format?
Steffen: Warum nicht. Es kann eine recht authentische und Nähe stiftende Art sein mit Fans in Kontakt zu treten. In Zeiten, wo man eh gezwungener Maßen oft am Bildschirm sitzt, ist das sicherlich besser als gar nichts. Gerade von großen Bands kann das auch ein gutes Zeichen sein, seine Fans mal hinter die Kulissen schauen zu lassen und im besten Fall auch zu zeigen, dass alles nur „normale“ Menschen sind, die ohne große Kostüme und Lichtshow im Proberaum und Kellerstudio jammen.
Ingo: Vielen Dank noch einmal für deine Zeit. Den Abschluss und die letzten Worte dieses Interviews überlasse ich gerne dir!
Steffen: Oh..soll ich noch einen raushauen?! Mhmm..keine Ahnung..vielleicht ein Tipp (mir hilfts manchmal): Man braucht nur zwei Dinge nicht zu ernst nehmen – andere Menschen und sich selbst.
Hab Dank für die Gelegenheit des Interviews und beste Grüße aus Sachsen!
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