Statues – Nachgefragt bei Johan Sellman und Magnus Öberg – Interview

Die schwedischen Rocker Statues lassen sich mit ihrem Mix aus Indie, Grunge und Punk Rock nicht in eine Schublade stecken. Gitarrist/Sänger Johan Sellman und Schlagzeuger Magnus Öberg erzählen uns im Interview, wie es dazu kam. Außerdem geben sie uns Geschichtsunterricht und verraten, was sie über Deutschland denken.

The original interview in English can be found HERE.


Statues-Holocene-Album CoverMarkus (Soundmagnet): Hallo und danke für das Interview. Euer zweites Album Holocene ist gerade auf den Markt gekommen. Das ist ein ziemlich interessanter Albumtitel, besonders wenn man auch den Song Ending the Holocene in Betracht zieht. Was ist die Botschaft hinter dieser Holozän-Idee?
Johan (Statues): Wir waren hier prophetisch, ohne es wirklich sein zu wollen. Holozän ist der Name der gegenwärtigen geologischen Epoche. Unsere Idee war es also, eine Platte zu machen, deren Cover auf eine Klimakrise hinweist, wobei das Cover eine topografische Karte zeigt, die wirklich rot wird. Aber nach dem Googeln stellten wir fest, dass eine andere Band vor uns die gleiche Idee hatte. Als dann aber der Virus auftauchte, von dem wir alle so betroffen sind, passte das irgendwie zum Thema, und Joel Dunkels machte dieses fantastische Plattencover mit einem bedrohlichen Virus, der irgendwo eindrang, wo er nicht sein sollte.

Markus: Nicht nur Soundmagnet.eu, auch viele andere Zeitschriften und Magazine bewerteten das Album als sehr gut. Interessiert ihr euch für solche Bewertungen, lest ihr sie und beeinflussen sie euch?
Johan: Wir sind wirklich glücklich darüber! Es ist so befriedigend, über etwas zu lesen, auf dessen Veröffentlichung man gewartet hat. Besonders jetzt, wo das Spielen vor einem Live-Publikum problematisch ist. Live ist ein perfekter Weg, um Reaktionen auf das zu bekommen, was man geschaffen hat, aber dieses Mal haben wir bisher wirklich gute Kritiken erhalten, und es ist großartig, darüber zu lesen, wie die Leute die Texte interpretieren und die verschiedenen Referenzen, die sie hören. Viele der Rezensionen sind in deutschen Zeitschriften und Magazinen erschienen, so dass wir unser dreijähriges Deutsch-Studium in der Schule gut nutzen.

Markus: Das Lied Black Smoke beschreibt, was passiert, wenn das Gemeinwohl den individuellen Interessen untergeordnet ist – so habe ich es zumindest verstanden. Auch einige andere Lieder haben sehr visuelle Texte und verwenden Metaphern. Wie kommt ihr auf solche Texte und gibt es eine bestimmte Botschaft, die ihr mit dem neuen Album transportieren wollt?
Johan: Ja, das ist ein Lied der Arbeiterklasse. Es soll ein Bild von Dickens, einer Industriestadt des 19. Jahrhunderts mit Ruß, Schlamm und dem Geruch von Arbeiterurin schaffen. Und du hast es richtig verstanden. Ich schätze, das Album hat eine Unzahl von Themen.
The Salt – Folklore, Massenhypnose, unbekannte Bedrohungen. Lockdown – Katastophen, Ausbrüche. Cardiac Arrest – Trolle, weiße privilegierte Männer. Manifest Destiny – Trumpageddon, unbekannte Bedrohungen. Sleepytown – Widerstand, Kontrolle, Big Brother. Grab the Bags and Run – Steuern hinterziehende Unternehmen, Ausbeutung. Shitstorm – Meetoo, Klasse. Shotgun – Rassismus, Hass, Radikalisierung von Rechtsradikalen. Black Smoke – Metropole, Dystopie, verrußte Lungen. Something in the Water – staatliche Kontrolle, Chemtrails. Ending the Holocene – Umweltverschmutzung und Kollaps, Neuanfang, Mad Max.
Im Grunde ist es also eine traurige Platte, aber irgendwie erzeugt der Zusammenbruch vielleicht etwas Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Verzweiflung und Hoffnung zusammen genommen fassen die Platte daher vielleicht ganz gut zusammen.

Markus: Eure Songs sind relativ kurz, ihr scheint keine Fans von exzessiven Song-Strukturen zu sein. Gibt es dafür einen Grund oder ist das nur die natürliche Folge daraus, wie ihr Songs schreibt?
Johan: In der Vergangenheit haben wir versucht, Musik zu schreiben, der wir nicht wirklich gerecht werden konnten. Also haben wir erkannt, dass das, was wir am besten können, folgendes ist: Wir halten es einfach, vermeiden es, Teile zu oft zu wiederholen, und bewahren die Energie während des ganzen Liedes, ohne die langen Passagen. Für uns wird das nie langweilig!

Markus: Eine sehr allgemeine Frage, ich weiß, aber dennoch: Welche Bands betrachtet ihr als Einflüsse? Ich höre Indie, Grunge, straighten Rock und einige andere Einflüsse auf dem Album.
Magnus (Statues): Es gibt so viele Künstler, die uns auf unterschiedliche Weise beeinflussen, aber für Statues war es immer amerikanischer Punk/Hardcore/Indie wie Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Natürlich Husker Du und The Replacements auf der einen Seite, Gorilla Biscuits, Quicksand und Fugazi auf der anderen. Dann auch eher melodisches Zeug wie The Blake Babies, Archers Of Loaf, Superchunk etc. und auf der künstlerischen Seite etwas Sonic Youth, Shellac und Slint. Auch wenn uns diese Bands unser ganzes Leben lang verfolgt haben, glaube ich, dass wir irgendwo da drin eine besondere Ecke haben, in der wir uns befinden. Ich denke, man kann Statues an der Art und Weise erkennen, wie wir spielen, und vor allem an Johans Stimme.

Markus: Schweden wird in den Medien wegen seines „Spezialwegs“ in Bezug auf Covid-19 aufmerksam beobachtet. Besonders Künstler sind von dieser Pandemie betroffen. Wie ist die Situation in eurem Land und können wir damit rechnen, dass ihr im deutschsprachigen Raum live auftreten werdet, sobald das wieder möglich sein wird?
Magnus: Im Moment dürfen wir nur vor 50 Personen spielen, im November wurde das Limit auf 300 erhöht. Aber es sind Sitzplatz-Konzerte und die Vorgaben können sich schnell ändern, weil niemand weiß, wie sich das Virus entwickeln wird. Ich denke, es wird lange dauern, vielleicht ein paar Jahre, bis sich die Veranstaltungsorte erholt haben. Hoffentlich können wir im Herbst 2021 auf Tournee gehen, wenn es einen Impfstoff gibt. Wir würden gerne wieder nach Deutschland kommen. Wir lieben Deutschland!

Markus: Wir sind immer auf der Suche nach neuer Musik aus der ganzen Welt. Welche Bands aus Ihrem Heimatland könnt ihr uns empfehlen, die wir unbedingt hören sollten?
Magnus: Hört unbedingt The Holy Ghost, Pablo Matisse, Dim Spirit, Mysterium, We live in trenches, Crooked Letter, Soviac und Tennis Bafra.

Markus: Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch. Gibt es noch etwas, was ihr euren Fans und unseren Lesern sagen möchtet?
Magnus: Wenn du ein Fan bist und auch Shows buchst, melde dich! Wir wollen Deutschland so schnell wie möglich besuchen. Das ist der Weg.

Foto Credit Beitragsbild: Ossian Danielsson OÌberg


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